… BARBARA WUSSOW?
: Um Zuschauer buhlen

Nicht jedermann kennt „Jedermann“. Das ist zunächst einmal schade, denn Hugo von Hofmannsthals dramatisches Lehrstück mit Wurzeln im mittelalterlichen Mysterienspiel könnte gerade in Krisenzeiten den Ackermännern dieser Welt noch etwas beibringen.

Das Werk des Wieners in Kurzfassung: Jedermann, ein durchschnittlicher und in seiner Gier und Selbstsucht nur allzu menschlicher Bürger, wird vom Tod aufgefordert, sich für die Reise ins Jenseits bereit zu machen. Stück für Stück lernt der Protagonist nun Demut und die Bedeutung immaterieller Werte.

Neben Salzburg, wo der „Jedermann“ im Jahr 1922 zur Uraufführung kam und seitdem regelmäßig gespielt wird, pflegen auch München (seit 2006), Hamburg (seit 1994) und natürlich Berlin mit seinen jährlichen Jedermann-Festspielen (seit 1987) einen lebhaften „Jedermann“-Kult, der durch eine Mischung aus hochkultureller Geste und zotigem Volkstheater mit Lokalkolorit glänzt.

Wichtiger als der Inhalt wurde dabei im Laufe der Zeit die Frage: Wer spielt die Buhlschaft, Jedermanns Geliebte? Gerade im Jahr des 25. Jubiläums soll vom 20. bis 30. Oktober im Berliner Dom zwischen den Publikumslieblingen Winfried Glatzeder als Jedermann und Ilja Richter als Mammon eine besonders strahlende Schönheit stehen. Ein Superweib, attraktiv und verführerisch, und „möglichst ein Star“, wie die langjährige Regisseurin der Berliner Inszenierung, Brigitte Grothum, unumwunden zugibt.

Mit der diesjährigen Buhlschaft endet die seltsame Tradition, den Schwerpunkt auf Letzteres zu legen: Statt ansehnlichen Nichtschauspielerinnen wie zuletzt Katarina Witt, Barbara Becker und immer wieder Jenny Elvers-Elbertzhagen sorgt mit Barbara Wussow nun eine reife Mimin für Glamour. Denn ohne den kann keine „Jedermann“-Inszenierung den erzieherischen Charakter des Stücks zugunsten leichtfüßigen Unterhaltungstheaters vergessen machen. DRÖ

Foto: ARD