… Ben Wagin?
: Ginkgos zählen

Ben Wagin könnte mit seinen 81 Jahren gut und gern ein bisschen kürzer treten. Doch das Westberliner Urgestein kommt nicht zur Ruhe. Das neueste Projekt des Künstlers dreht sich gar um den „Baum des Jahrtausends“ – so nennt Wagin den Ginkgo. Er will herausfinden, wie viele Ginkgo-Exemplare es in Berlin gibt. „Über 200 Gespräche habe ich geführt, bis ich zu den Zuständigen in den Bezirksämtern durchgedrungen bin“, sagt er. Jetzt weiß er schon mal, dass es in der Hauptstadt mindestens 1.500 Stück gibt. Das aber sind nur die Ginkgos, die als Straßenbäume von den Bezirken erfasst werden – die Bäume in privatem Besitz fehlen in der vorläufigen Bilanz.

Ihre Zahl herauszufinden dürfte eine Sisyphos-Arbeit sein. Trotzdem will Wagin es versuchen. Dafür soll die Bevölkerung mithelfen und Ginkgos melden – nicht etwa übers Internet, sondern ganz klassisch per Post, an die Anschrift des Künstlers höchstselbst (Joseph-Haydn-Straße 1, 10557 Berlin). Pünktlich zum 25. April – dem Tag des Baumes, der sich dann zum 60. Mal jährt – will Wagin feierlich verkünden, wie viele Ginkgos es in Berlin gibt. Viel Aufwand für wenig Ergebnis, würden manche wohl denken.

Der Ginkgo liegt Wagin jedoch schon seit fast 60 Jahren am Herzen: „1953 sah ich vor der Humboldt-Universität einen Baum, der mich faszinierte.“ Er pflückte ein Blatt, trug es in den Botanischen Garten und fragte, von welchem Baum es stammte. Nach der Diagnose war die Leidenschaft in Wagin geweckt. Heute ist seine Liebe zum Ginkgo kompromisslos, fast radikal. Früher pflanzte er die Bäume überall in Berlin, auf eigene Faust. Die meisten waren allerdings wenig später wieder weg – weshalb Wagin es nun auf legalem Wege versucht. Leicht ist auch das nicht. „Für viele ist der Ginkgo etwas, das hier nicht hingehört – ganz egal, ob es die Natur bereichert oder nicht“, berichtet er.

Wenn Wagin über die Menschen redet, die seine Ginkgo-Pflanzungen verhindern wollen, wird seine sonst so sanfte Stimme laut – aus dem Künstler Wagin wird der Wutbürger Wagin. Der erzählt schnaubend, dass die Ginkgo-Feinde oft in Amtsstuben säßen und keine neuen Bäume genehmigten oder gar bereits gepflanzte Bäume fällen ließen. „Ich pflanze trotzdem weiter – egal, was diese Arschlöcher sagen“, entfährt es ihm. Erst vergangenes Jahr habe er 200 Bäume gepflanzt, aber in Bayern. „In Berlin ist das unmöglich.“

Hier ist Wagin zu weniger radikalen Mitteln gezwungen. Die Ginkgo-Zählung ist eines, doch dabei soll es nicht bleiben: Am Tag des Baumes soll an jeden Ginkgo in Berlin eine weiße Schleife gebunden werden. Nicht von ihm, Ben Wagin, sondern von allen – „schließlich geht Natur uns alle an“. Wagin empört sich: „Wir alle nutzen die Natur – aber darum kümmern will sich niemand.“ Ein Schleifchen für den Frieden mit der Natur – wir sind dabei. KWB Foto: cc