Es geht um mehr als den Vorsitz

Kämpfe bei den Sozialdemokraten

VON ANTJE LANG-LENDORFF

Egal, wie man sonst zu Michael Müller steht: In diesen Tagen kann einem der Stadtentwicklungssenator und (Noch)-SPD-Landeschef fast leidtun. Zuerst wird wochenlang öffentlich über seine mögliche Ablösung an der Parteispitze diskutiert. Dann fliegen auf sein Privathaus Eier, nachts klingelt jemand Sturm. In sein Büro wird eingebrochen. Und nun stellt sich nicht einmal Klaus Wowereit, dem er selbst immer den Rücken freigehalten hat, eindeutig hinter ihn. Mit dem dürren Sätzchen „Ich unterstütze Raed Saleh als Fraktionsvorsitzenden und Michael Müller als Landesvorsitzenden“ hält der sich erst mal fein raus.

Warum lässt Wowereit seinen Vertrauten Müller allein im Regen stehen? Das hängt mit der Stimmung unter den Genossen zusammen. Der starke linke Flügel will mehr Einfluss. Es ist durchaus realistisch, dass sich ein möglicher Gegenkandidat von Müller bei der Wahl des Vorsitzes im Juni durchsetzt. Schlägt sich Wowereit nun zu deutlich auf die Seite des Senators, wäre es auch seine Niederlage.

Beschädigter Kronprinz

Alles langweiliger Parteienhickhack, könnte man meinen. Tatsächlich geht es um mehr: Wer drängt 2016 für die SPD ins Rote Rathaus? Diese Frage steht hinter den Grabenkämpfen. Obwohl er den Charme eines Sparkassendirektors versprüht, galt Müller bislang als Wowereits Kronprinz. Bereits jetzt geht er beschädigt aus der Diskussion hervor. Verliert er die Wahl im Juni, ist er aus dem Rennen. Wer dann hat in der SPD das Zeug zum Regierenden? Das wissen zurzeit wohl nicht mal Müllers ärgste Gegner.

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