Ein guter Start

Die Vereinten Nationen

Während meine persönliche Berlinale im vergangenen Jahr von einer nicht enden wollenden Pannenserie geprägt war, die im Verlust meines 40 Euro teuren Berlinaleausweises irgendwo zwischen McDonald’s und Cinemaxx kulminierte, lief sie in diesem Jahr erstaunlich stressfrei an. Im Gegensatz zum Vorjahr hatte ich endlich mal Einladungen zu diversen Partys erhalten, die kilometerlange Schlange vor dem Pressezentrum war nicht für mich bestimmt und auch die rote Berlinaletasche überließ man mir ohne Murren.

Ich war also gut gelaunt. Da ich zudem seit ein paar Tagen kein Internet habe, beschloss ich kurzerhand, mein Büro für eine Stunde in den Berlinale-Presseraum zu verlegen. Dort herrschte emsige Betriebsamkeit: Es wurde auf Spanisch, Russisch oder Japanisch telefoniert, Menschen unterschiedlichster Nationalitäten unterhielten sich angeregt, während andere Texte in ihre Notebooks hackten. „So muss es sein, bei den Vereinten Nationen zu arbeiten“, dachte ich bei mir.

Als ich nach einiger Zeit das Gebäude verließ, wurde ich zuerst von einem laut telefonierenden Journalisten angerempelt, anschließend wollte mich ein bulliger Security-Mann im orangenen Leibchen daran hindern, die Straße zu überqueren. Überall um mich herum waren Kamerateams und aufgestylte Filmbusinessleute. Ich vergrub meinen Berlinaleausweis tief in der Innentasche meiner Jacke und machte mich auf den Heimweg.

ANDREAS RESCH