DIE BERLINALE-TASCHE HAT SCHON EIN LOCH
: „Dein Film war gut eben? Du Schwein!“

DETLEF KUHLBRODT

In einem Twitterbeitrag fragte Sha Ruh Khan: „Wer ist St. Valentin?“ Der große Bollywoodstar hatte keine Zeit, im Internet nachzugucken. In Asien ist der Valentinstag sehr viel wichtiger, als im Westen. Vermutlich, weil die Leute dort jünger sind als hier. Deshalb wirken Stars aus Asien auch überzeugender als solche aus dem Westen, finde ich. Ich kenne jemand, der schon einmal in echt mit Sha Ruh Khan gesprochen hatte und bin so in der privilegierten Situation, über eine Ecke mit dem Star verbunden zu sein, der erst sehr verspätet am Samstagabend um elf vor dem Friedrichstadtpalast eintraf und eine Dreiviertelstunde lang Autogramme gab. 1.000 Fans, die teils Stunden gewartet hatten, freuten sich sehr. Auf West-Stars warten selten mehr als zwanzig Leute. Neben dem Bollywood-Film „Don – The King is back“ waren die Tickets zur finnischen Produktion „Iron Sky“ von allen Filmen am schnellsten ausverkauft.

Der aufwendige, sehr liebevoll gestaltete Trashfilm, der davon erzählt, wie die Nazis 1945 die dunkle Seite des Mondes besiedelt hatten und dann so Star-Wars-mäßig gegen eine von Amerikanern geführte Erdallianz kämpfen, wurde zu Recht überall gelobt und gefeiert. Eine der beteiligten Schauspielerinnen heißt Renate Adolfina Brown.

Eher auf Ablehnung stieß dagegen der spanische Wettbewerbsfilm „Dictado“ von Antonio Chavarrías, ein Hitchcock-orientierter Psychothriller, dem am Ende leider die Luft ausgeht, weil er sich nicht traut, zum richtigen Gruselfilm zu werden. Das Kinderlied, dass in diesem Film so eine Freddy-Krüger-mäßige Rolle spielt, ist allerdings prima. Es handelt davon, dass das Verb dem Subjekt immer sagt, was es tun soll. „Barbara“, der 1980 in der DDR-Provinz spielende Wettbewerbsfilm von Christian Petzold, ist dagegen sehr schön und stimmt wehmütig. Die Farben, die Ausstattung und die Darsteller sind fantastisch. Beim Abspann, während Chic „At Last I am Free“ singen, ist man tatsächlich traurig, dass der Film schon zu Ende ist. Als wär man in den Ferien gewesen und müsste nun wieder nach Haus fahren. Einige Kollegen sind komplett begeistert und weggeflasht.

Die Tage gehen vorbei. Die Berlinale-Tasche ist schlecht gearbeitet, hat nun schon ein Loch und wird von der sehr gut gearbeiteten Berlinaletasche von 2007 ersetzt. Lange Unterhosen oder nicht? – Das ist die erste Frage des Tages. Wütend sagt ein Sitznachbar zu seinem Freund: „Dein Film war gut eben? Du Schwein!“ Manche Filme, wie der griechische Wettbewerbsbeitrag „Meteora“, der in einer überwältigenden Landschaft eine Liebesgeschichte zwischen Mönch und Nonne erzählt, sind recht spröde und man weiß nicht so recht, andere, wie die Jazzfilme aus den 60ern von Shirley Clarke, sehr lehrreich.

Im Friedrichstadtpalast gibt es „Marley“. Der Festivaldirektor und Weggenossen des berühmten Reggeamusikers sind auch auf der Bühne. Sie sagen „Rastafari“ und solche Sachen. Der Friedrichstadtpalast nervt ein bisschen, weil man die anderen Zuschauer während des Wartens so gut hört und sieht.

Kevin Macdonalds zweieinhalbstündige Doku ist natürlich interessant, schöne Musik und Archivbilder, aber auch recht konventionell und so aufgebaut wie ein Konzert. Im Abspann gibt es ein Medley seiner beliebtesten Lieder, gesungen auch von Leuten aus allen Weltgegenden. Im Friedrichstadtpalast begannen die Leute bei den ersten Takten von „Get up, stand up“ rhythmisch zu klatschen, hörten dann aber wieder auf, weil der Abspann so lang war. Ich war, glaub ich, der einzige, der vor dem Film noch eine Zigarette rauchte.