Das Ahornblatt soll bleiben

Eigentlich war der Abriss beschlossen. Doch nun wollen Architekten und Denkmalschützer einen Betonbau und mit ihm die Nachkriegsmoderne der Hauptstadt retten ■ Von Uwe Rada

Es ist eines der ungewöhnlichsten Gebäude der Hauptstadt. Fünf spitz in den Himmel ragende Dachkonstruktionen aus Beton, darunter reichlich Glas und ungenutzter Raum. Mit seiner ausladenden Tragwerksarchitektur, aber auch mit dem Kontrast zu den sich dahinter türmenden Hochhäusern, ist das Ende der Sechzigerjahre errichtete „Ahornblatt“ eines der bekanntesten Bauwerke der DDR-Nachkriegsmoderne. Und es ist so manchem Berliner Hauptstadtplaner ein Dorn im Auge. Für einen Abriss des Denkmals haben sich deshalb schon vor geraumer Zeit Berlins Bausenator Peter Strieder (SPD) wie auch der PDS-Baustadtrat von Berlin-Mitte, Thomas Flierl, entschieden.

Nun aber soll das Ruder herumgerissen werden. „Spät, aber nicht zu spät“, hat sich auch Berlins oberster Architektenvertreter in die Abrissfrage eingeschaltet. Es sei völlig unverständlich, meint Cornelius Hertling, Chef der Architektenkammer, warum eine unter Denkmalschutz stehende hochrangige Architektur einer fragwürdigen Planung zum Opfer fallen solle. Damit würde nur „ein weiteres Zeugnis unseres kulturellen Erbes wirtschaftlichen Interessen weichen“.

Mit dieser Meinung steht der Architektenchef nicht allein. Zahlreiche Prominente wie etwa Ex-Bauhaus-Chef Hardt-Waltherr Hämer oder der Architektursoziologe Harald Bodenschatz haben sich ebenfalls in die „Rettungsaktion“ für das Ahornblatt eingeschaltet. Dass eine solche Aktion durchaus Erfolg haben kann, haben Bodenschatz und Co. bereits 1994 bewiesen, als es ihnen gelang, das ebenfalls zum Abriss freigegebene Staatsratsgebäude zu retten. Heute ist das ehemalige DDR-Regierungsdomizil der provisorische Amtssitz von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD).

Es sind freilich nicht nur schnöde Verwertungsinteressen, die Denkmalschützer und die Architektenkammer gleichermaßen wachgerüttelt haben. Es sind die baulichen Zeugnisse der Nachkriegsmoderne selbst, die mit dem geplanten Abriss des Ahornblatts auf dem Spiel stehen. Nachdem das ehemalige DDR-Außenministerium schon vor Jahren geschleift wurde, soll nun auch ein denkmalgeschützes Studentendorf im Vorort Schlachtensee oder das Schimmelpfeng-Haus an der Gedächtniskirche fallen. Als wäre die Stadt eine baugeschichtliche Tabula rasa, plant Berlins Bausenator lieber schnucklige Blöcke oder versucht, die ungeliebte Architektur von Luft, Licht und Sonne hinter postmodernen Baukästen zu verstecken.

Dass der Umgang mit Stadtgeschichte auch anders aussehen kann, hat am Wochenende ein Kolloquium der Architektenkammer zum Ahornblatt gezeigt. Sowohl der Schalenbau als auch die sechs Wohnhochhäuser auf der Fischerinsel, so erinnerte eine Teilnehmerin, seien in den sechziger Jahren an Stelle des alten Fischerkiezes mit seinen noch mittelalterlichen Häuschen aus dem Boden gestampft worden. So sehr sie dies bedauere, meinte die Diskutantin, so sehr müsste man aus diesem Fehler lernen und verhindern, dass nun seinerseits die moderne Bebauung aus dem Stadtbild getilgt werde. Dieser Position stimmt zwar auch der Baustadtrat von Mitte zu. Weil er aber noch weitgehendere Eingriffe auf der Fischerinsel, wie etwa die Bebauung eines Parks, abwenden möchte, hat er sich im Fall des Ahornblatts dem Bausenator gebeugt. Denkmalschutz hin oder her.

Das Kolloquium ergab aber auch, dass wirkliche Alternativen zum Abriss gar nicht erst geprüft wurden. Um Grundstücksfragen oder zulässige Bebauungsdichten will sich die Berliner Architektenkammer aber gar nicht erst kümmern. Sie hält den geplanten Abriss an sich für einen „Frevel“ und appelliert nun an den Berliner Landeskonservator, den Eigentümer und den künftigen Investor, auf die Abrissbirne zu verzichten.

Ohne Zweifel: Hier soll Öffentlichkeit mobilisiert werden. Ob aber der Erhalt des Staatsratsgebäudes tatsächlich das große Vorbild sein kann, steht in den Sternen. Kaum war nämlich Bundeskanzler Schröder dortselbst eingezogen, entdeckte er zu seinem Entsetzen, dass er nun täglich auf den „monströsen“ und „hässlichen“ Palast der Republik schauen müsse. Schröders ebenso knappes wie rückwärts gewandtes Urteil: Der Palast soll weg und das alte Schloss wieder her.