Die kleine Straße in Heiligensee

Ganz Berlin ist asphaltiert. Ganz Berlin? Nein! Anwohner der Schulzendorfer Straße wollen ihr Kopfsteinpflaster behalten, das Bezirksamt will schick sanieren. Was nun?

Das Kopfsteinpflaster ist holprig, vorbeifahrende Lkws scheppern darüber, das Regenwasser versickert im Boden. Dennoch lieben die Anwohner im schicken Westberliner Vorort Heiligensee ihre Schulzendorfer Straße. Und wollen, dass sie so bleibt wie sie ist. Das Bezirksamt Reinickendorf jedoch hat andere Pläne und möchte die Straße sanieren lassen – und prompt regt sich Widerstand. Es geht um Verkehr, Lärm, alte Bäume und vor allem Geld.

Den Anwohnern nämlich sollen die Kosten für die Straßensanierung als so genannte Erschließungsbeiträge aufgebürdet werden. Sie fürchten Summen von bis zu 45.000 Euro. Solche Beiträge sind üblich, wenn Wohngebiete erstmals mit Straßen erschlossen werden – den Hausbesitzern wird damit in Rechnung gestellt, dass der Wert ihrer Grundstücke durch eine neue oder deutlich verbesserte Straßenanbindung steigt.

„Ich kann verstehen, dass die Leute sauer sind“, sagt der Reinickendorfer Baustadtrat Michael Wegner (CDU). Jeder Hausbesitzer wisse aber, dass solche Kosten auf ihn zukommen könnten. Zudem würden die Zahlungen erst in einigen Jahren fällig und könnten gegebenenfalls gestundet werden. „Die Straße ist in einem baulich katastrophalen Zustand, da muss etwas getan werden.“ Geplant sei nicht nur die Asphaltierung, auch würden Parkbuchten und ein Grünstreifen angelegt.

Volker Gerhard, Anwohner und Verkehrsexperte in der SPD-Bundestagsfraktion, bezweifelt den Sinn der Straßensanierung. Eine Reparatur mit den vorhandenen Pflastersteinen würde ausreichen, argumentiert er. Außerdem sei das Kopfsteinpflaster eine Art Garantie dafür, dass sich Autofahrer an die Geschwindigkeitsbegrenzung von Tempo 30 hielten. Zudem könnte eine neue Asphaltstraße zu einer Zunahme des Verkehrs im Einzugsbereich zweier Grundschulen führen. Außerdem müssten alte Alleebäume gefällt werden.

Auch die SPD-Heiligensee stemmt sich gegen die Sanierung der Schulzendorfer Straße. Durch die beabsichtigte Verbreiterung und Asphaltierung der Straße sei mit „Sogeffekten“, insbesondere aufgrund der unmittelbaren Nähe zur Autobahn A 111 zu rechnen, so der Heiligenseer SPD-Chef Olaf Weiß.

Baustadtrat Wegner versucht, die Gemüter zu beruhigen. Auch nach der Sanierung der Straße werde die Tempo-30-Regelung erhalten bleiben, zudem werde eine Gewichtsbeschränkung von 7,5 Tonnen angestrebt. Die Straße sei im Endzustand so schmal, dass Autofahrer wegen des Gegenverkehrs nicht rasen könnten. „Und nachts sind die Blitzer der Polizei im Einsatz.“

Der Bund der Berliner Haus- und Grundbesitzervereine bezeichnet das Vorhaben dennoch als Schildbürgerstreich. „Das ist unökologisch und eine unsinnige finanzielle Belastung der Anwohner“, so Verbandssprecher Dieter Blümmel. Seine Idee: die Straße als Baudenkmal einzustufen. Die Schulzendorfer sei schließlich eine der letzten Kopfsteinpflasterstraßen mit altem Alleebaumbestand und natürlicher Regenwasserversickerung.

RICHARD ROTHER