Interview mit Ulrike Sommer: "Mein Mann sagte: Mach mal"

Ulrike Sommer ist erfolgreiche Krimiautorin, aber viele kennen sie nur als die Gattin von DGB-Chef Michael Sommer. Jetzt möchte sie in den Bundestag, weil "es den Menschen wirklich dreckig geht"

taz: Frau Sommer, falls die SPD Sie Sonntag für den Bundestag nominiert, dann holt ja bei Ihnen die Realität die Fiktion ein.

Ulrike Sommer: Welche Realität und welche Fiktion?

Nun, in Ihrem Krimi "Die Gattin" lassen Sie eine Ministerfrau in die Politik einsteigen - und jetzt machen Sie, die Gattin von DGB-Boss Michael Sommer, das Gleiche.

Der Unterschied ist: Mein Mann lebt noch, und der Mann meiner Protagonistin stirbt gleich zu Anfang. Außerdem wird die Frau in meinem Buch in die Politik hineingelockt, und ich habe das selbst entschieden.

Als Theo Waigels Frau 2002 in die Politik ging, soll Waigel gesagt haben: Jetzt ist sie mal dran. Was hat Ihr Mann gesagt?

Mach mal.

Mit Ihrem Gegenkandidaten Swen Schulz saßen Sie im SPD-Kreisvorstand, sie kamen gut miteinander aus - sagt er zumindest. Inhaltliche Unterschiede sieht er auch nicht. Wo ist Ihr Mehrwert im Bundestag?

Ich würde niemals Netzwerker sein…

…also sich nicht wie Schulz bei den eher reformorientierten SPD-Abgeordneten organisieren. Ist er Ihnen nicht links genug? Schulz ist auch in der Parlamentarischen Linken.

Ich rede mit Ihnen nicht über Swen Schulz, ich rede darüber, was ich machen möchte.

Und das wäre?

Parteibeschlüsse in die Hand nehmen und in den Bundestag tragen können. Wir haben hier in Spandau ein sehr gutes Konzept zur Regulierung der Finanzmärkte entwickelt - vor zwei Jahren. Wäre ich damals schon in der Lage gewesen, das weiterzutragen, dann würde ich mich heute angesichts der Finanzkrise nicht so ohnmächtig fühlen.

Mittelbar soll ja ein Schornsteinfeger schuld sein, dass Sie in den Bundestag wollen.

Oh nein.

Nein? Der soll Sie so geschockt haben mit seiner Erzählung, die Leute würden nicht mehr warm duschen, weil sie sich das nicht leisten könnten.

Das stimmt zwar. Aber das war nur eine zusätzliche Bestätigung für mich, dass es den Menschen wirklich dreckig geht und ich daran etwas im Bundestag ändern will. Die Entscheidung war da schon gefallen.

Schade, wäre doch eine nette Story im Wahlkampf gewesen.

Die brauche ich nicht - heute kommt der Schornsteinfeger und morgen der Nächste, dem es schlecht geht. Sie brauchen doch nur die Augen aufzumachen.

Na ja, wenn ich gerade mal aus dem Fenster gucke, sieht das hier bei Ihnen in Kladow nicht wirklich arm aus.

Aber hallo - das ist bloß verdeckt. Da haben sich die Leute so verschuldet, um sich das Häuschen leisten zu können, dass sie vor dem Nichts stehen, wenn plötzlich der Job weg ist. Mein direkter Nachbar ist seit vier Jahren arbeitslos, der dahinter hat anderthalb Jahre gesucht, bis er wieder einen Job hatte. Es schlägt eben auch in der Mittelschicht ein.

Was sagen Sie denen, die meinen: Durchstarten in den Bundestag geht nicht, fang vor Ort an, geh erst mal in die Bezirksverordnetenversammlung?

Denen sage ich, dass ich mich schon vor 30 Jahren als Journalistin mit lokalen Themen beschäftigt habe. Dass ich Vorsitzende des größten SPD-Ortsvereins in Spandau bin und hier seit Jahren Kommunalpolitik mache. Und dass es ja schön wäre, im Bundestag auch Menschen mit Berufs- und Lebenserfahrung zu haben.

Sie sind erst seit 2001 SPD-Mitglied, und das ist im klassischen Parteidenken so gut wie nichts.

Meine Lebenserfahrung schließt gleich drei Berufe ein - Mutter einer heute 19-jährigen Tochter, Schriftstellerin und Journalistin. In dieser Zeit hätte ich ums Verrecken keine Politik machen können, weil Parteipolitik derart zeitraubend ist, dass Mütter dafür oft nicht genug Zeit haben.

Politik machen aber nicht nur Männer, die macht auch eine Frau von der Leyen mit sieben Kindern.

Für mich haben wir wahre Emanzipation erst dann erreicht, wenn nicht nur Frau von der Leyen erklären muss, was ihre Kinder ohne sie machen, sondern auch beispielsweise der FDP-Generalsekretär Dirk Niebel gefragt wird, wie er es schafft, seine drei Kinder zu erziehen.

Bleiben wir mal bei Gattinen in der Politik. Im Bundestag würden Sie Dagmar Wöhrl von der CSU treffen, die als Ex-Miss-Germany die ideale Beistelldame für ihren reichen Mann gewesen wäre. Stattdessen hat sie selbst Karriere gemacht und ist heute Staatssekretärin.

Mit ihr habe ich schon mal gesprochen. Ich kenne viele erfolgreiche Frauen, und ich freue mich jedes Mal sehr über ihren Erfolg.

Akzeptieren Sie überhaupt Frauen, die bewusst sagen: Ich will ausschließlich Gattin sein?

Ja, logisch. Ich würde sogar Männer akzeptieren, die sagen: Mir reicht es vollkommen, mich um Haus und Kind zu kümmern.

Kann es nicht auch sein, dass der Bundestag nur ein neues Projekt der Schriftstellerin Ulrike Sommer ist: Milieustudien betreiben und nachher einen neuen Politthriller schreiben?

Ach, für Millieustudien im Bundestag hatte ich als Journalistin in Bonn alle Zeit der Welt. Ich bin dort ein- und ausgegangen, wo immer ich wollte.

Das war aber letztlich nur der Außenblick.

Schon richtig. Aber ich habe doch als Romanautorin hinreichend Fantasie, mir da etwas auszumalen, wo die eigene Erfahrung fehlt. Ich kann ja auch über einen Mord schreiben, ohne gleich jemanden umzubringen.

Ihre Ministerfrau in "Die Gattin" lebt zurückgezogen und lässt niemanden in ihr Haus. Und auch wir sitzen in der Kladower Dorfkneipe statt bei Ihnen zu Hause. Haben Sie negative Erfahrungen gemacht.

Es gab mal eine Homestory, als mein Mann noch Kandidat für den DGB-Vorsitz war. Ich dachte, ich könnte als Journalistin damit umgehen - aber es ging nicht. Zu Hause, das ist unser Privatleben - und ich möchte nicht wie ein Fisch im Wasserglas zur freien Beobachtung sein.

Träumen Sie, die Gattin eines mächtigen Mannes, dass eines Tages mal einer sagt: Das ist übrigens Michael Sommer, der Gatte der SPD-Abgeordneten?

Nö. Ich träume davon, dass ich im Bundestag sitze und meine Hand dafür hebe, dass wir endlich den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn bekommen. Und was das andere angeht, das hatte ich schon 1987: Da war ich zum Kanzlerfest eingeladen - und Michael, damals Pressesprecher der Postgewerkschaft, kam als meine Begleitung mit.

Und was ist, wenn es sich am Sonntag ausgeträumt hat?

Ich will wirklich unbedingt in den Bundestag. Aber wenn ich keine Mehrheit bekomme, dann geht das Leben auch weiter - und ich schreibe mein fünftes Buch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.