Innensenator rügt Innenminister

INTEGRATIONSDEBATTE Körting weist de Maizières Kritik an Berliner Integrationspolitik zurück. Die Vorschläge des Bundesinnenministers seien verfassungsrechtlich nicht haltbar. Auch Diepgen widerspricht

Der rot-rote Senat, aber auch der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hat sich in scharfer Form gegen die Kritik von Innenminister Thomas de Maizière (beide CDU) gewandt, bei der Integration von Einwanderern versagt zu haben. Die „Vorstellung, man könne einem Teil der hier rechtmäßig lebenden Menschen vorschreiben, wo sie zu wohnen hätten, ist mir zuwider“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) dem Tagesspiegel. Bundesinnenminister de Maizière hatte Berliner Landespolitikern vorgeworfen, zugelassen zu haben, „dass sich Migranten vor der Maueröffnung in den für Deutsche wenig attraktiven Stadtgebieten nahe der Mauer gesammelt haben“.

Körting sagte, Zuzugssperren für bestimmte Bezirke seien 1979 vom Oberverwaltungsgericht Berlin gekippt worden. Eine derartige Praxis sei „auch nicht mit dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und mit dem Grundrecht der Berliner Verfassung auf freie Wahl des Wohnsitzes zu vereinbaren“, ergänzte der Senator. „Ich hätte vom Bundesinnenminister, der zugleich Hüter unserer Verfassung und Grundrechte sein muss, erwartet, dass er die Grundrechte aller Menschen, auch der Ausländer, in Deutschland schützt und sie nicht durch verfassungsrechtlich nicht haltbare Vorschläge infrage stellt.“

Zuvor hatte bereits Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) den Bundesinnenminister scharf kritisiert (taz berichtete). Menschen pauschal zu unterstellen, sie wollten sich nicht integrieren, sei zudem mehr als fahrlässig und auch falsch, sagte Bluhm.

Absurde Entmutigung

Auch der in Kreuzberg wohnende Grünen-Bundeschef Cem Özdemir bezeichnete die Äußerungen des Ministers als „absurd“. Sie entmutigten „alle diejenigen, die sich für Integration und Zusammenleben engagieren“. Özdemir mahnte, man solle sich in der Integrationsdebatte vor jeder Art von Pauschalisierung hüten.

Der ehemalige Regierende Bürgermeister Diepgen sagte, die Feststellungen de Maizières „treffen nur zur Hälfte zu. Tatsächlich gab es vor dem Mauerfall Gebiete, in denen sich Ausländer ballten. Wir haben eine Zuzugssperre erwogen. Die kam – auch aus rechtlichen Gründen – nicht zum Zuge.“

De Maizière fand in seiner Partei auch Unterstützer. „Die Einschätzung, dass die Integrationspolitik in den vergangenen Jahren von Versäumnissen geprägt ist, teilen wir ausdrücklich“, sagte der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Kurt Wansner. Zwar gebe es viele Beispiele erfolgreicher Integration. „Die Integration ist aber nicht in erster Linie wegen, sondern trotz der rot-roten Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik gelungen.“ (dpa, dapd, taz)