SPORTPLATZ
: „Jetzt hat er wohl seinen Haken gemacht“

BLINDENFUSSBALL Verteidiger Lars Stetten spielt für Berlin um die Meisterschaft in der Bundesliga.

■ 36, ist stark sehbehindert und kann Gegenstände oder Personen nur schemenhaft wahrnehmen. Blindenfußball spielt der Informatiker seit November 2010.

taz: Herr Stetten, zum Auftaktturnier der Blindenfußball-Bundesliga in Stuttgart hat es ein Remis für die Spielgemeinschaft Berlin/Braunschweig, gegeben. Sind Sie zufrieden?

Lars Stetten: Gemessen am Spielverlauf schon. Wir lagen schnell 0:2 gegen die SG Würzburg/Mainz zurück und haben noch zwei Tore erzielt. Aber zuletzt haben wir gegen die 3:0 gewonnen, da ärgert man sich schon, wenn man in Rückstand gerät.

Was ist falsch gelaufen?

Wir haben uns zu sehr in Einzelaktionen verzettelt. Die Abstimmung mit den Braunschweigern klappt noch nicht so gut. Wir spielen ganz neu zusammen. Ich selbst brauche zudem immer ein paar Minuten Anlaufzeit. Ich war zu zögerlich in der Verteidigung.

Inwiefern?

Beim 0:1 habe ich mich vom gegnerischen Stürmer wegdrücken lassen.

Wissen Sie, wo Sie standen?

Vom linken Pfosten aus etwa acht bis zehn Meter vor unserem Tor. Man muss bei uns eine gute Raumorientierung haben. Ich bin hingefallen und nicht schnell genug vom Boden hochgekommen. Dann hat der Gegner einen Haken geschlagen, und der Ball war drin. Ich weiß allerdings nicht, wo unser zweiter Verteidiger stand. Wenn man eingespielt ist, weiß man das.

Wie haben Sie das mit dem Haken mitbekommen?

Das wurde mir hinterher erzählt. Man merkt es aber auch ein bisschen, weil man die Tricks seiner Gegenspieler aus früheren Begegnungen kennt. Wenn der Ball sehr schnell von links nach rechts geht, ahnt man: Ah, jetzt hat er wohl seinen Haken gemacht.

Welche Lehren ziehen Sie aus der Szene?

Im Idealfall wäre ich draufgegangen, und mein Abwehrkollege hätte in der gedachten Linie zum Torwart nach hinten abgesichert.

Was war für Sie der schönste Moment im Auftaktspiel?

Der Anschlusstreffer kurz vor der Halbzeit. Bei unserem Stürmer hat anfangs nicht viel geklappt. Nach dem Tor wusste ich, dass er wieder im Rennen war.

Wie kam es denn zustande?

Als Abwehrspieler bekomme ich unsere Tore nicht mit. Aber ich höre mir alle von mir gespielten Partien noch einmal an. Es gibt eine Livereportage im Internet, die man sich hinterher herunterladen kann. Da erfahre ich nachträglich von ganz vielen Details.

Lernt man daraus?

■ Gespielt wird auf einem 20 mal 40 Meter großen Rasenfeld auf Hallenhandballtore gespielt. An den Längsseiten begrenzen Banden das Feld. In den sprungreduzierten Ball sind laute Rasseln eingebaut.

■ Die Spieldauer beträgt zwei mal 25 Minuten. Die vier Feldspieler müssen vollständig blind sein oder bei einem eventuell vorhandenen Sehrest diesen durch das Tragen von Dunkelbrillen ausgleichen. Sie erhalten vom sehenden Torwart und einem „Guide“ hinter dem jeweiligen Tor Unterstützung.

■ In Deutschland wurde die Blindenfußball-Bundesliga im Jahr 2008 gegründet. In der laufenden Saison wird der Titel von neun Teams in sechs Turnieren ausgespielt.

■ Das erste fand am vergangenen Wochenende in Stuttgart statt. Nach dem Remis vom Samstag gegen die SG Würzburg/Mainz verlor die Spielgemeinschaft Berlin/Braunschweig am Sonntag gegen Stuttgart. Die Niederlage gegen den Meisterschaftsfavoriten und Serienmeister fiel mit 0:1 aber überraschend niedrig aus. (jok)

Ja, es hilft, wenn man sich die Spielzüge vergegenwärtigt. Über das Gedächtnis und eingespielte Techniken kann man sehr viel erreichen.

Welche taktische Marschroute haben Sie erhalten, nachdem das Team 0:2 zurücklag?

Der Sturm hat noch einmal gesagt bekommen, wie die gegnerische Abwehr positioniert ist. Die standen kaum in der Mitte, sodass es sinnvoll war, einfach durch die Mitte durchzubrechen. Und die Ansage war, schneller zu spielen.

In den beiden vergangenen Jahren wurde Berlin als eigenständiges Team Dritter. Was ist in dieser Saison möglich?

Den dritten Platz sollten wir eigentlich wieder schaffen. Im optimalen Falle werden wir Zweiter und Stuttgart wie zuletzt Meister.

INTERVIEW: JOHANNES KOPP