„Es gab gute Kontakte“

Ludwig Quidde (35) würde auch heute den Protest unterstützen – vor allem aus der zweiten Reihe

„Ich gehöre zur ersten Generation, die von der wieder eingeführten Wehrpflicht in Berlin betroffen war. Bis nach der Wende mussten Berliner ja nicht zum Bund. Ich habe natürlich totalverweigert.

Mein erster Gedanke beim Gelöbnis: Die Bundeswehr will sich Öffentlichkeit verschaffen. Wie schaffen wir es, diese Öffentlichkeit zu nutzen und unsere Sicht der Dinge vorzuführen? Obwohl wir drei Sicherheitskontrollen passierten, gelang es uns, mit relativ vielen Menschen zu den Feierlichkeiten vorgelassen zu werden. Der heiligste Moment ist ja die Gelöbnis-Formel der Rekruten. Der Kompaniechef hatte keine zwei Sätze gesagt, da stürmten wir zu zwanzigst auf den Platz und lieferten uns ein Katz- und Mausspiel mit den Polizisten. Das Ganze dauerte etwa drei Minuten. Mir kam es vor wie eine halbe Stunde.

Die Polizei kann bis heute nicht klären, wie wir hineingekommen sind. Relativ schnell flatterte mir eine Anklage wegen Urkundenfälschung und Hausfriedensbruch ins Haus. Das Verfahren entwickelte sich zum großen Fiasko für die Staatsanwaltschaft. Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich mit protestierte. Doch bei keinem von uns fanden sie Eintrittskarten. Ich wurde in allen Anklagepunkten freigesprochen.

Die Proteste zu den Gelöbnissen finde ich heute immer noch großartig. Heute würde ich mich zwar nicht mehr in die erste Reihe stellen. Das hat einfach mit meinen anderen Lebensumständen zu tun. Manche finden das feige. Aber ich unterstütze diesen antimilitaristischen Protest nach wie vor und bin für die Abschaffung der Bundeswehr. Proteste brauchen Leute, die Kontakte zu bestimmten Personen haben oder auch logistisch unterstützen können. Wir hatten das Glück, dass wir diese Leute damals hatten. Und ich hoffe, dass es auch in diesem Jahr wieder viele kreative Protestideen gibt. Ich helfe ihnen gerne.“

PROTOKOLL: HKI