Schulexperte meint:: "Wirtschaft als Wahlfach ist sinnvoll"

Exgymnasiumsdirektor Hinrich Lühmann, der für die IHK ein Bildungskonzept verfasst hat, würde zwar nicht Latein als Fach abschaffen. Das humanistische Bildungsideal und Wirtschaftsnähe sind für ihn trotzdem keine Gegensätze

taz: Herr Lühmann, wie kommt ein Dr. phil., Historiker und Exschulleiter eines klassischen Horts humanistischer Bildung dazu, sich für ein Bildungskonzept in den Dienst der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu stellen?

Hinrich Lühmann: Ich sehe da überhaupt keinen Widerspruch. Es ist ja nicht so, dass ich hier humanistische Ideale aufgebe und mich - um mal ein Klischee zu bedienen, das Sie offenbar im Kopf haben - zu einem tumben Knecht des Kapitals mache. Es geht uns vielmehr beiden darum, Umstände zu schaffen, die jedem gute Bildung ermöglichen.

Die IHK agiert aber nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, aus klassischer Philanthropie, sondern aus urökonomischen Motiven: Ohne gute Leute gibt es keine gut funktionierende Wirtschaft und weniger Profit.

Aus ökonomischen Interessen zu handeln ist doch erst mal nicht verdächtig. An Bestrebungen, Menschen in Lohn und Brot zu bringen - aus welchen Beweggründen auch immer -, kann ich nichts bemängeln. Wenn sich verschiedene Interessen genau da treffen, umso besser.

Gute Bildung bedeutet für die IHK aber auch mehr praxisorientierte, wirtschaftsnähere Bildung. Weil ein Stundenplan seine Grenzen hat, hieße das im Extremfall: Platz machen für EDV-Kurse und Wirtschaftswissenschaft, weg mit dem toten Latein.

Das ist die falsche Alternative. Am Gymnasium lernen Sie nicht nur am Konkreten, sondern vor allem in Strukturen. Und ein Schüler bekommt auch durch andere Fächer einen guten Überblick über wirtschaftliche Entwicklungen und Strukturen. Wirtschaft als Pflichtfach für alle wäre Unsinn, aber als Wahlfach ist es sinnvoll. An meiner ehemaligen Schule gibt es das seit zwanzig Jahren, und ein Drittel eines Jahrgangs hat das Fach belegt. Und was Latein und die Praxisferne angeht: Humboldt hat mal ironisch gesagt, dass es auch einem Maurer oder einem Tischler nicht schaden kann, mal Latein gelernt zu haben.

Die klassischen Philosophen haben gesamtgesellschaftliche Verantwortung als hohes Gut betrachtet. Müsste nicht die Wirtschaft mehr zahlen, wenn sie mehr will, nämlich bessere Bildung?

Ja, selbstverständlich. Es gibt auch für die Wirtschaft eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, und der muss sie natürlich nachkommen und mehr zahlen. Aber sie ist nicht allein verantwortlich - das betrifft auch jeden Einzelnen.

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