OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Die Griechin Elli lebt in Wuppertal, wo ihr Leben gerade in eine Abwärtsspirale trudelt. Die Fabrik, in der sie bislang gearbeitet hat, macht dicht, ihre Männerbekanntschaften sind allenfalls oberflächlich zu nennen, und zu allem Überfluss macht auch noch ihr blöder, tendenziell gewalttätiger Exmann Ärger: Er will Elli zurück. Doch die hat die Nase endgültig voll und ihr Entschluss steht fest: Sie will heim nach Griechenland. Zuvor quartiert ihre Schwester allerdings noch die Nichte Niki für ein paar Tage bei ihr ein. Und während es anfangs noch so aussieht, als könnten sich Elli und der rebellische Teenager nicht ausstehen, entdecken sie doch schließlich eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten: die stets unterdrückte Wut auf die Verhältnisse, aber auch eine Abenteuerlust, die sie gemeinsam ausleben können. Mit „Elli Makra 42277 Wuppertal“ wirft Regisseur Athanasios Karanikolas einen sehr genauen Blick auf die griechische Gemeinschaft in der deutschen Fremde: ein scharf gezeichnetes Familien- und Communitydrama mit exzellenten schauspielerischen Leistungen und einer klaren Bildsprache, in dem Gesten und Blicke deutlich mehr sagen als viele Worte.

Um komplizierte Familienbeziehungen geht es auch in Mike Leighs „Secrets & Lies“: Da macht sich die schwarze, in jungen Jahren adoptierte Hortense (Marianne Jean-Baptiste) auf, um ihre leibliche Mutter ausfindig zu machen – und findet die weiße Cynthia (Brenda Blethyn). Es treffen jedoch nicht nur Schwarz und Weiß aufeinander, sondern auch zwei Gesellschaftsschichten: Für die gebildete und gut ausgebildete Hortense ist der Blick auf die proletarische Welt ihrer Mutter (und der neuen Verwandtschaft, in der jeder mit eigenen – meist tragikomischen – Problemen kämpft) genauso seltsam wie umgekehrt für Cynthia der Umgang mit Hortense. Wie sich die beiden Frauen nach anfänglichen Schwierigkeiten zusammenraufen, zeigt Leigh mit der für ihn typischen Mischung aus Drama mit komödiantischen Anklängen und einer genauen, fast dokumentarischen Alltagsbeobachtung. Eine umfangreiche Mike-Leigh-Werkschau zeigt das Filmmuseum Potsdam ab heute, und der Regisseur selbst wird zur Eröffnung mit seinem aktuellen Kinohit „Happy-Go-Lucky“ anwesend sein.

Einen der bösesten Filme über das Problem des Alterns im Showgeschäft schuf Regisseur Joseph L. Mankiewicz im Jahr 1950 mit „All About Eve“: Mit ordentlich Verve verkörpert Bette Davis hier die vierzigjährige Bühnenschauspielerin Margo Channing, die langsam von Verlustängsten geplagt wird: Ihr bevorzugter Autor schreibt nämlich nur noch Stücke mit zwanzigjährigen Hauptfiguren, und zu allem Überfluss taucht dann auch noch die sich devot gebende Eve (Anne Baxter) auf, ein vermeintlicher Fan, der bei Margos Freunden intrigiert, um an ihre Rolle zu kommen. „All About Eve“ ist in jeder Hinsicht ein Film über das Theaterspielen: Hier wird nicht nur auf der Bühne, sondern noch viel mehr hinter der Bühne gespielt, wo sich ein mit scharfem Wortwitz ausgetragener zynischer Konkurrenzkampf entfaltet.

LARS PENNING

„Elli Makra 42277 Wuppertal“ 20.–26. 11. in den Tilsiter Lichtspielen

„Secrets & Lies“ (OmU) 24./25. 11.; „Happy-Go-Lucky“ 20. 11. (danach Gespräch mit Mike Leigh), 22./23. 11. im Filmmuseum Potsdam

„All About Eve“ (OmU) 22. 11. im Filmkunst 66