OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Zwanzig Jahre Mauerfall wird in diesem Jahr erinnert, und dazu passt Uli M. Schüppels Dokumentation „Von wegen“ über den ersten Auftritt der Einstürzenden Neubauten in Ostberlin im Dezember 1989 ganz prima. Denn auch hier wird erinnert, und zwar von den damaligen Konzertbesuchern, die sich noch einmal auf den Weg zum Saal des VEB Elektrokohle in Lichtenberg machen, wo die Neubauten seinerzeit spielten. Und während sie durch die längst umbenannten Straßen stapfen und sich nur mühsam zurechtfinden, reflektieren sie über ihre damalige Situation in einem Staat, der gerade mit Höchstgeschwindigkeit an seiner eigenen Abschaffung arbeitete, sowie über ihre Erwartungshaltung den Neubauten gegenüber. Die Musik habe eben so etwas Freies, wenig Festgelegtes gehabt, erinnert sich da jemand, und dass dabei natürlich auch ein destruktiver Faktor im Spiel gewesen sei: Das sei eben das gewesen, was Spaß gemacht habe in der DDR, wo der Staat das Leben seiner Bürger bekanntlich bis in die Details hinein zu regeln versuchte. Zu sehen ist Schüppels interessanter Film beim „Achtung Berlin!“-Festival.

Mit dem Neorealismus konnte ich mich eigentlich nie so richtig anfreunden. Grundsätzlich ist es mir immer lieber, wenn das Kunstprodukt Film seine Künstlichkeit auch ausstellt und dem Zuschauer in jeder Sekunde zu sagen scheint: Hallo, du sitzt hier im Kino und schaust gerade einen Film an. Die Werke von Hitchcock, Lang und Godard machen dies, um mal einige Namen zu nennen, Musicals und Zeichentrickfilme in der Regel auch. Da ist jeder Zentimeter der Leinwand durchgestylt und dem Willen derer unterworfen, die an dem jeweiligen Film gearbeitet haben. Das gegenteilige Konzept, dem wahren Leben – mit Laiendarstellern, alltäglichen Geschichten und einer offenen Kadrage des Bildes – im Kino möglichst nahe zu kommen, mag mich hingegen bis heute nicht wirklich überzeugen. Immerhin lässt sich begreifen, wie es dazu kam: Der Neorealismus entstand im Italien der frühen Vierziger gegen Ende der faschistischen Herrschaft und war Gegenreaktion auf die verlogenen Historiendramen und Salonkomödien, die das italienische Kino jener Jahre beherrschten. Insofern also eine historische Notwendigkeit, und wer das noch mal nachvollziehen möchte, sollte sich „La terra trema“ (1948) ansehen, Luchino Viscontis Drama um das harte Leben einer sizilianischen Fischerfamilie im Kampf gegen Ausbeutung und Naturelemente, gedreht mit Laien und – trotz meiner skeptischen Vorrede – natürlich ein sehr kraftvoller Film.

Der Stunt, den man nur einmal macht: Für die Szenen eines großen Orkans in der Komödie „Steamboat Bill, Jr.“ ließ Buster Keaton eine zwei Tonnen schwere Häuserfront umblasen, die ihn selbst nur um Haaresbreite aufgrund einer schmalen Fensteröffnung im Giebel verfehlt. Keatons Bravourstück ist der Höhepunkt einer Geschichte um einen Vater-Sohn-Konflikt, in dem der anfangs schwächlich erscheinende Student Willie (Keaton) seinem raubeinigen Vater am Ende aus der größten Not hilft und doch noch seine Brauchbarkeit beweist. LARS PENNING

„Von wegen“, 17. 4., Passage 1; 19. 4., Babylon Mitte

„La terra trema“ (OmU), 22. 4., im Arsenal 2

„Steamboat Bill, Jr.“ , 18.–19.4., im Arsenal 1