OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Meine früheste Erinnerung an den französischen Regisseur Louis Malle geht auf ein Buch zurück, das ich in meiner Jugend geschenkt bekam: „Das lebende Meer“ von Jacques-Yves Cousteau, dem berühmten Meeresforscher. Ein Foto zeigt seinen damaligen Kameramann und Co-Regisseur Malle, den der „Kommandant“ an der Filmhochschule IDHEC aufgetan hatte, wie er angestrengt durch ein Unterwasserbullauge des Forschungsschiffes „Calypso“ schaut: ein ernster junger Mann mit einem Blick, der die unbekannten Weiten der Weltmeere förmlich zu durchdringen scheint. Dem Film „Le Monde du silence“, den Cousteau und Malle in den Jahren 1954/55 zusammen gedreht haben, hat die Zeit – und mit ihr die Perfektionierung der Unterwasseraufnahmen – zwar ein wenig das Spektakuläre genommen, nicht jedoch die Freude an der Entdeckung einer neuen und andersartigen Welt mit den Mitteln des Kinos. Für das damalige Publikum war der Einblick mit Farbkameras in die Meereswelt etwas völlig Neues. Und dass es im Meer so farbenfroh zugeht, war wohl die eigentliche Überraschung des Films von Cousteau und Malle, der als erste Dokumentation 1956 die Goldene Palme in Cannes gewann. Neben Bildern attraktiver Korallen mit bizarr geformten Oberflächen bietet der Film Erklärungen zum Tiefenrausch, Spiele der Taucher mit Meeresschildkröten und einem verfressenen Zackenbarsch sowie eine – bei allem wissenschaftlichen Anspruch, den die Expedition hegt – manchmal etwas seltsame Herangehensweise an bestimmte Meeresbewohner. (2. 1., Filmkunst 66)

In ihrer Dokumentation „The House of the Rising Punk“ werfen Christoph Dreher und Rotraud Pape einen Blick auf die Wiege des amerikanischen Punkrocks. Im CBGB’s, einem ehemaligen Bikertreff, spielten sie Mitte der 1970er-Jahre alle: Television, Patti Smith, Richard Hell, die Ramones, Blondie, Suicide und die Talking Heads. Die Filmemacher Jim Jarmusch und Amos Poe hingen dort herum, Legs McNeil fühlte sich zu seinem legendären Punk-Magazine inspiriert. Vor der Kamera erinnern sich viele von ihnen an jene Tage und erzählen von Beat-Poesie, der Flucht aus der Provinz, dem Adrenalinkick des Rock ’n’ Roll, Drogen und dem Frust, dass die Engländer die Chose deutlich besser vermarkten konnten. (OmU, 4. 1., White Trash)

Seine Filme sind sehr persönlich, äußerst originell – und enorm preiswert hergestellt: Mit 50.000 Dollar drehte der Kanadier Guy Maddin „Brand Upon the Brain“ (2006) auf Super-8-Material und versah das Werk, dessen Handlung um jugendliche Detektive kreist, die Nachforschungen zu seltsamen Vorgängen auf einer Insel anstellen, sodann mit Zwischentiteln in Stummfilmmanier. Die Struktur des Films ist dabei den Abenteuerserials der frühen 1920er-Jahre entlehnt, während sich Maddin ästhetisch vor allem am expressionistischen Horrorfilm orientiert, um von einem von seiner Mutter terrorisierten und ständig überwachten Jungen namens Guy und dessen ersten sexuellen Verwirrungen zu erzählen. (OmU, 2.–6. 1., fsk) LARS PENNING