Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

International hat Werner Herzog in den letzten Jahren ein erfreuliches Comeback gefeiert, zunächst mit einer Reihe von Dokumentarfilmen, dann auch wieder mit Spielfilmen wie dem exzentrischen Remake von „Bad Lieutenant“. Dass der Regisseur in einer Mischung aus Abenteuerlust, nicht zu unterschätzender Egomanie und ironischem Humor in seinen Filmen schon immer recht schräg auf die Welt geschaut hat, kann man jetzt in einer umfassenden Werkschau bis Ende Juli im Zeughauskino begutachten, in der unbekanntere Werke ebenso zu sehen sind wie die in Deutschland noch immer populären Filme mit Klaus Kinski. So natürlich auch „Aguirre, der Zorn Gottes“ (1972), in dem der Mime als meuternder spanischer Eroberer im Peru des Jahres 1561 das mythische El Dorado zu entdecken sucht, dabei provokativ irdische wie göttliche Mächte herausfordert und langsam in einen stillen Irrsinn abgleitet. Der Film ist getragen von Herzogs Sinn für Ironie und seinem Gespür für die Dschungellandschaft des Amazonas, auf dem die Expedition per Floß dahintreibt: Die vermeintlich träge Ruhe des Stroms und die tönende Stille des Urwalds stehen im Kontrast zu den physischen Strapazen der Protagonisten und vermitteln sowohl die Schönheit der Gegend als auch ein Gefühl massiver Bedrohung. (24. 6., Zeughauskino)

Erfreulich, dass man sich auch im England des Jahres 1971 schon Gedanken um den Umweltschutz gemacht hat: Der Politiker Sir George hält gerade am Ufer der Themse eine Rede über die erfreuliche Verringerung der Schadstoffbelastung des Flusses, als eine unbekleidete, mit einem Schlips erwürgte Frau ans Ufer gespült wird. Sir George ist geschockt: „Das ist doch nicht etwa meine Club-Krawatte?“ Natürlich befindet man sich hier im Alfred-Hitchcock-Land, und „Frenzy“ (1971) nimmt mit dem Frauen hassenden Mörder und der Geschichte eines unschuldig Verfolgten noch einmal zwei von des Meisters Lieblingsmotiven auf. Gewalt inszeniert Hitchcock hier mit zuvor nicht gekannter Deutlichkeit, und mit großer Liebe zum makabren Detail ergeht sich der Regisseur in wunderbaren Geschmacklosigkeiten wie dem absurden Kampf des Mörders (Barry Foster) mit einem seiner – bereits toten und erstarrten – Opfer um eine Krawattennadel auf der Ladefläche eines Lastwagens. (24. 6., Babylon Mitte)

Leider wird Automobilrennsport in der taz aus ideologischen Gründen ja vorsätzlich ignoriert, was natürlich ein unhaltbarer Zustand ist: Der Brasilianer Ayrton Senna war der populärste Formel-1-Rennsportler in der Ära vor Michael Schumacher, die ihn stets in einer spannenden Auseinandersetzung mit dem Strategen Alain Prost und dem Kämpfer Nigel Mansell sah. Die Dokumentation „Senna“ (R: Asif Kapadia) zeichnet die Karriere des Idols nach und vermag schlüssig zu verdeutlichen, wie der extrem ehrgeizige Senna zum Protagonisten des reinen „Racing“ – Rad gegen Rad, Mann gegen Mann – werden konnte, dabei aber auch immer wieder von der Rennsportpolitik mit ihren dubiosen Regelauslegungen überrollt wurde. (24. 6.–26. 6. + 28./29. 6. Babylon Mitte) LARS PENNING