Spenderkinder

In Deutschland leben schätzungsweise hunderttausend bis hundertfünfzigtausend sogenannte Spenderkinder, die meisten entstammen einer anonymen Samenspende. Diese wird in Deutschland seit den Fünfzigerjahren von Reproduktionsmedizinern angeboten, zunächst in Einzelfällen als Ausweg bei männlicher Unfruchtbarkeit oder Erbkrankheiten.

Mittlerweile ist sie für viele Paare, die sich in Zeiten wachsender Individualisierung und sinkender Bindungsbereitschaft erst spät gefunden haben, zu einer unter vielen legalen Methoden künstlicher Befruchtung geworden, einer Möglichkeit, auch im Alter bei abnehmender Fruchtbarkeit noch eine Familie zu gründen. Lesbische Paare hätten ohne donogene Insemination, wie die Fremdsamenspende im Medizinerdeutsch heißt, keine Chance, eigene Kinder zu bekommen.

Das Problem liegt nicht in der etwaigen Illegitimität des Kinderwunschs oder in der Art der Zeugung, sondern im Umgang damit: In neunzig Prozent der Fälle, so schätzen Familientherapeuten und Adoptionsforscher, sagen die Eltern ihren Kindern gar nicht die Wahrheit oder erst spät, im Erwachsenenalter, und lösen damit nicht selten schwere Identitätskrisen aus. Männliche Unfruchtbarkeit gilt in vielen Familien bis heute als Makel, Gespräche darüber sind tabu. Die Angst, das Kind könne sich von seinem sozialen Vater abwenden, wenn es erst einmal von dem genetischen erfahre, ist ebenso groß wie unbegründet – das haben entsprechende Studien aus der Adoptionsforschung herausgefunden.

Im Internet existieren unzählige Seiten von Kinderwunschzentren, Samenbanken und Reproduktionskliniken, die glückliche Paare präsentieren mit dem lang ersehnten Nachwuchs im Arm – dank eines anonymen Spenders. Nach der Befindlichkeit der so entstandenen Kinder fragen die wenigsten. Sie werden schlicht als das Ergebnis erfolgreicher Behandlung gesehen.

Die Lobby derer, die das Thema zu einem öffentlichen machen könnten, verfügt gemeinhin nicht über den entsprechenden politischen und wirtschaftlichen Einfluss oder ist oftmals zu jung, um Gehör zu finden: Viele Kinder, die dank der Errungenschaften der boomenden Reproduktionsmedizin geboren wurden, sind heute noch minderjährig. HH