Schere im Kopf bei der Deutschen Welle: "Nazi-Geist wiederbelebt"

Der Auslandssender Deutsche Welle unterbindet angeblich eine differenzierte -und vor allem positive- Berichterstattung über China. Ein offener Brief soll das ändern.

Der Intendant der Deutschen Welle, Erik Bettermann, vor dem Eingang der Senderzentrale in Köln. Bild: dpa

49 China-Experten, Intellektuelle und Wissenschaftler fordern in einem offenen Brief den Bundestag und den Intendanten und Rundfunkrat der Deutschen Welle (DW) auf, journalistische und wissenschaftliche Grundsätze zu schützen. Die für den parlamentsfinanzierten Auslandssender Verantwortlichen sollen sich vor Journalisten und Wissenschaftler stellen, die wegen positiver Äußerungen über China angefeindet wurden. Befürchtet wird, dass differenziert über China berichtende Personen "diskreditiert und eingeschüchtert" werden sollen.

"Das angestrebte Ziel ist offenkundig die Unterbindung jeder um Differenzierung bemühten öffentlichen Kommunikation über die Entwicklung Chinas in Journalismus und Wissenschaft und die Verpflichtung aller öffentlichen Akteure dieses Bereichs auf eine pauschale negative Berichterstattung über China", heißt es im Brief. Er wurde von Ostasienwissenschaftler Thomas Heberer (Uni Duisburg-Essen) initiiert. Zu den Unterzeichnern zählen Exjustizministerin Däubler-Gmelin, Exstaatsminister Nida-Rümelin, namhafte Publizisten und Sinologen.

Der DW-Rundfunkrat will am 28. November über die Kritik am chinesischen Programm des Senders beraten. Die stellvertretende Programmleiterin Zhang Danhong wurde kürzlich von ihrem Posten entbunden - wegen Äußerungen, nach denen "die KP Chinas mehr als jede politische Kraft auf der Welt zur Verwirklichung des Artikels 3 der Erklärung der Menschenrechte beigetragen" habe, der allen Menschen das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit zuspricht. Zhang machte ihre umstrittene Äußerung zur Armutsreduzierung in China aber nicht im DW-Programm, sondern in einer Deutschlandfunk-Debatte.

Zhangs Abstrafung führte zu einer Kampagne chinesischer Staatsmedien, die der Welle Zensur vorwarfen ("Nazi-Geist wiederbelebt"), und daraufhin zu Aufrufen in Deutschland lebender Dissidenten, etwa aus dem Umfeld der in China verfolgten Falun-Gong-Sekte sowie eines "Autorenkreises der Bundesrepublik". Darin sind mehrere Bürgerrechtler der ehemaligen DDR vertreten. Kritisiert wird die (in China meist blockierte) DW-Onlineredaktion, der "ideologisch penetrante und selektive" Berichte vorgeworfen werden.

Der Autorenkreis befürchtet einen "Re-Import diktatorischer Propaganda" durch die DW und fordert eine "ausführliche Prüfung der Berichterstattung der China-Redaktion", die Einsetzung eines "unabhängigen diktaturimmunen Beobachters", eine Mitarbeiterprüfung und eine Selbstverpflichtung zu einem "werteorientierten Journalismus". Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Michael Konken, kritisierte die Forderungen als überzogen. Sie würden nach Zensur riechen und "im Widerspruch zum Credo der unabhängigen, staatsfernen und pluralistischen Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk" stehen. Der Sprecher der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen, Michael Rediske, sagt: "Der Verdacht, die DW würde Diktaturen unterstützen, ist einfach absurd."

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