Digitalradio – aber wie?

DABPLUS Der Privatrundfunkerverband VPRT hält den neuen digitalen Hörfunkstandard für eine nicht marktfähige Totgeburt

Ab 2010 soll in allen neuen Radiogeräten zwingend ein Digitalempfangsteil eingebaut sein

VON JÜRGEN BISCHOFF

So kurz vor dem Ziel und dann dieser Tritt in die Kniekehle: In den nächsten Tagen sollen die Gebührenwächter von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten – kurz KEF – die seit anderthalb Jahren eingefrorenen Gebührenmittel für das Digitalradio freigeben. Dann soll Digital Audio Broadcasting (DAB), die viel geschmähte neue digitale Sendeart, als DABplus einen hoffentlich erfolgreichen Senkrechtstart an den Tag legen.

Doch ausgerechnet jetzt stellt sich der Privatsenderverband VPRT quer. Dabei haben in den letzten Monaten öffentlich-rechtliche wie Privatradiovertreter einen DAB-Neustart in der verbesserten Sendenorm DABplus beschworen. Aber der VPRT spricht sich einstimmig „gegen die im Herbst 2009 geplante Einführung von DABplus aus“. Die Rahmenbedingungen seien nicht erfüllt: „Die erheblichen Einführungs- und Betriebskosten können von den privaten Radiounternehmen des VPRT nicht aufgebracht werden.“ Und auch wenn wie bisher Zuschüsse fließen würden, sieht der VPRT selbst „bei maßgeblicher Förderung des Systems durch öffentliche Gelder (…) für die nächsten fünf bis zehn Jahre nur geringe Chancen auf eine Teilrefinanzierung aus dem Markt.

Dabei weiß man auch im VPRT, dass die Alternativen, die dort ins Gespräch gebracht werden, nicht tauglich sind für den deutschen Radiomarkt. Das amerikanische Ausstrahlungsverfahren HD-Radio passt technisch nicht in das wesentlich engere europäische Frequenzraster.

Und auch auf das Internetradio zu setzen ist für eine Massenverbreitung komplett unsinnig und – vorgebracht aus der privaten Ecke – vollkommen unverständlich. Mit der Zahl der Hörer steigen nämlich die Verbreitungskosten enorm, denn die Hersteller von entsprechender Server-Software verlangen saftige gestaffelte Lizenzpreise. So dürfte die derzeitige Skepsis der privaten Sender eher in der Spekulation auf Staatsknete zu suchen sein. Lange bevor die aktuelle Wirtschaftskrise sich bemerkbar machte, haben VPRT & Co. immer wieder darauf hingewiesen, dass es die schwache ökonomische Basis der Dudelsender diesen es nicht ermöglicht, die Kosten für die zusätzliche neue Senderinfrastruktur zu tragen.

Dabei sitzen die Privatsender in einer machtvollen Position. Schon in den ersten Erörterungen zur Freigabe von Digitalradiogeldern vor einem Jahr hat die KEF der ARD die Gretchenfrage gestellt: „Welche Vereinbarungen gibt es mit den Privatsendern für eine erfolgreiche Markteinführung von DAB-neu?“ Inzwischen sind die Argumente des Privatfunks bei der Lobbyorganisation Initiative Marketing Digital Radio (IMDR) auf Resonanz gestoßen. In einer „Handlungsempfehlung“ schlägt sie u. a. einen Digitalisierungsfonds vor, in den der Bund Millionen einbringt, um die Senderinfrastruktur „ähnlich wie beim Straßen- oder Kabelnetzaufbau“ bereitzustellen. Auch wird verlangt, dass alle Radiogeräte, die ab 2010 in den Handel kommen, zwingend ein Digitalempfangsteil eingebaut haben. Darüber hinaus bringt die IMDR eine „Abwrackprämie“ für die Anschaffung neuer Digitalradios ins Gespräch.

Allein die Pflicht, digitale Empfangsteile einzubauen, wird von Kritikern der DAB-Politik schon seit Jahren gefordert und kostet den Staat nichts. Eigentlich wäre eine Verpflichtung zu digitalen Empfangsteilen sogar eine Aufgabe für die EU-Kommission, damit beispielsweise Autoradios von Lissabon bis Helsinki in der Lage sind, digitale Radiosignale zu empfangen, doch ausgerechnet hier hat sich die zuständige Kommissarin Viviane Reding im letzten Sommer – im Gegensatz zum Handy-TV – aus der Verantwortung gezogen und den Mitgliedstaaten die Regelungskompetenz überlassen.