Medien und Kommunikation: Reflexionen über das digitale Ich

Wie wichtig ist die Onlinekommunikation? "Ich und die anderen und die Medien" (3sat, 22.15 Uhr) will diese Frage beantworten - doch die Doku lässt vieles offen.

Protagonisten aus der Doku "Ich und die anderen und die Medien". Bild: ZDF

"Diese Selbstdarstellung hat einen Grund", sagt der Mann auf dem Bildschirm. Andreas Weigend spricht über das Anhäufen von persönlichen Informationen im Netz. Er spricht über Twitter, über Facebook und über die Art, wie man sich digital organisiert. Achtung, der Stanford-Professor weiß, warum. Es geht darum, "Aufmerksamkeit von anderen Menschen zu bekommen".

Ähnlich unausgegoren wie die bahnbrechenden Erkenntnisse von Weigend ist die Doku "Ich und die anderen und die Medien", die 3sat an diesem Mittwoch zeigt. Der Sender schickt das Feature dem bis zum 11. Dezember währenden Themenschwerpunkt "Unser Ich" voraus. Neben weiteren Dokuformaten und einer Gesprächsrunde über Medientheoretiker Marshall McLuhan zeigt 3sat auch das Episodendrama "Babel" (8. 12., 22 Uhr) des mexikanischen Regisseurs Alejandro González Iñárritu.

Generell beschäftigt sich das mehrtägige Philosophiefernsehpaket "mit der Bedeutung von Kommunikation in unserer heutigen medienverstrickten Welt". Die breit aufgestellte Vorgabe haben die Autoren von "Ich und die anderen und die Medien" zur oberflächlich harmlosen Collage zusammengeschrumpft. In Form kleiner, schnell ineinander geschnittener Reportagen erzählen Jörn Hintzer und Jakob Hüfner Geschichten, die zwischen "Uniformierung und Individualisierung balancieren". Eine davon dreht sich um Maike Langer. Die 18-Jährige ist Nachwuchsbloggerin.

Auf ihrer Internetseitehttp://mai-fashionista.blogspot.com - gespickt mit Selbstporträts - geht es überwiegend um die selbstdefinierten Modetrends ("Lieblingsdesigner? Ganz klar Chanel."), die man sich so zwischen Vogue und Oberstufe ausdenkt. 500 Facebook-Groupies hat Langer in 2 Jahren gesammelt. Damit wäre dann Weigends These von der "Aufmerksamkeit" prägnant bewiesen. Aber Reflexionen über das eigene digitale Dasein liefert die Klamottenexpertin nicht: "Ich bin ja ein normales Mädchen. Ich bin kein Model."

Das kann als nettes digitales Soziogramm rüberkommen, ist aber frei von Identitätskonflikten, die im Hinblick auf das Dokuthema auch im Rest der Sendung fehlen. Gerade das wäre spannend gewesen.

Ein Marktforscher darf dann erklären, worüber man so an der Kinokasse beim Popcornkauf nachdenkt: War die Tüte beim Vorgänger größer? Die Ausführungen eines Mikrobiologen zur Bakteriologie werden bionisch-gewitzt an das Prinzip von Wikipedia gekoppelt: "Der Einzelne trägt mit einem Teilwissen zum Ganzen und Vollständigen bei - ein sich selbst regulierendes System, ähnlich einem Organismus."

Und auch die Kunst darf in dem Knäul aus Charakteren, das die Doku liefert, mitmischen. Die "Foto-Anthropologen" Ellie Uyttenbroek und Ari Versluis suchen in Berlin nach "Ossis", die gern mit "volkseigenen Betriebstaschen" über die Märkte der Hauptstadt schlurfen.

"Ich und die anderen und die Medien" will die - durch die globalen digitalen Medien fraglos verzerrten - Grenzen zwischen dem "Ich" und dem "Wir" ausloten. Dafür bräuchte es dann aber klare Konturen derer, die bei einer Definition helfen sollen, und keine fahrigen Sprünge vom einen zum anderen. Der Einzige, der sich darum bemüht, ist dann am Ende wieder Andreas Weigend: "Was sich wirklich geändert hat, ist, dass wir das sind, was wir mit anderen teilen."

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