Der Chef durch Zufall geht

ABGANG Der BBC-Generaldirektor Mark Thompson will im Sommer vorzeitig zurücktreten. Die Olympischen Sommerspiele in London will er noch als Chef des Senders erleben

Der BBC hatte Cameron schon im Sommer 2011 indirekt vorgeworfen, „zu links“ zu sein

VON STEFFEN GRIMBERG

Er war eher durch einen blöden Zufall Chef der großen öffentlich-rechtlichen Anstalt geworden. Jetzt mag er nach acht nicht unerfolgreichen Jahren plötzlich nicht mehr: BBC-Generaldirektor Mark Thompson will im Sommer abtreten.

Er wolle seinem Nachfolger die Chance geben, „sich fest zu etablieren, bevor die nächste Verlängerung der BBC-Charter ansteht“, schrieb Thompson zur Begründung in einer E-Mail an die BBC-MitarbeiterInnen. Die BBC und ihre Finanzierung durch Rundfunkgebühren gründen auf einer sogenannten Royal Charter, die alle zehn Jahre vom Parlament verlängert werden muss. Theoretisch könnte dabei die Regierungsmehrheit auch die Auflösung oder deutliche Verkleinerung der BBC durchsetzen. Die aktuell gültige Charter läuft im Dezember 2016 aus.

Ein solcher Frontalangriff auf die von konservativen Regierungen immer skeptisch beäugte BBC ist aktuell zwar nicht zu erwarten. Allerdings hatte Premierminister David Cameron angekündigt, im Zuge der Aufarbeitung des Murdoch-Phonehacking-Skandals auch die BBC auf den Prüfstand zu stellen. Für den konservativen Premier ist dabei klar, wie das Ergebnis aussieht: Der BBC hatte er schon im Sommer 2011 indirekt vorgeworfen, zu mächtig und vor allem „zu links“ zu sein. Dass Thompson trotz einer insgesamt erfolgreichen Bilanz nach acht Jahren an der BBC-Spitze abtritt, dürfte auch mit diesen anstehenden politischen Spielchen zusammenhängen – und ihn an die Umstände erinnern, wie er 2004 ins Amt kam: Damals hatte die amtierende Labour-Regierung unter Tony Blair Thompsons Vorgänger Greg Dyke wegen zu kritischer Berichterstattung der BBC über die Haltung und Betrügereien der Regierung in Sachen Irakkrieg über die Klinge springen lassen.

Anders als bei den deutschen Öffentlich-Rechtlichen ist der politische Einfluss bei der BBC stärker und direkter, aber dafür auch transparenter.

Auch Thompson musste in seiner Amtszeit manche Kröte schlucken. Der BBC-Generaldirektor ist als Editor in Chief gleichzeitig auch oberster Chefredakteur des Senders. Unter ihm gab es zwar weniger direkte Einmischung in die redaktionellen Angelegen als zu Greg Dykes Zeiten. Dafür musste Thompson heftige strukturelle Veränderungen umsetzen: Die Rundfunkgebühren wurden eingefroren, was langfristig zum Verlust von rund 2.000 Jobs bei der BBC führen wird. Thompson hatte 2010 daher ein Konzept vorgelegt, nachdem die BBC weniger, aber aufwändigeres und besseres Programm produzieren sollte. Zudem wurden auf Druck der Regierung mehrere BBC-Abteilungen mit über 1.000 MitarbeiterInnen von London ins nordenglische Salford bei Manchester verlegt.

Nun wird der BBC-Trust, der in einer Pressemitteilung Thompson artig dankte, nach eineR NachfolgerIn suchen. Für die ergeben sich schon heute klare Veränderungen: Thompson verdient aktuell inklusive Zulagen 834.000 Pfund (1,002 Millionen Euro) im Jahr. Auch darüber gab es Zoff – und die NachfolgerIn erhält garantiert deutlich weniger.