Die Angst vor der Autobahn

Einwohnerversammlung in Wilhelmsburg: Die Verlegung der Reichsstraße sei nicht Teil einer künftigen Hafenquerspange, verspricht Bausenatorin Hajduk. Betroffene fordern ein Gesamtkonzept

VON GERNOT KNÖDLER

Die Wilhelmsburger Reichsstraße soll nicht dazu dienen in der Zukunft die Autobahnen 7 und 1 zu verbinden. „Die Reichsstraße ist nicht Teil der Hafenquerspange – das verspreche ich als Senatorin“, sagte die grüne Stadtentwicklungspolitikerin Anja Hajduk bei einer Einwohnerversammlung am Mittwochabend im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Wie das Verkehrsnetz auf der Elbinsel einmal aussehen soll, blieb aber offen.

„Ich habe unterschätzt, dass die Wilhelmsburger das im Zusammenhang mit der Hafenquerspange diskutieren wollen“, so Hajduk weiter. Sie werde wiederkommen und das mit den Anwohnern besprechen.

Die GAL-Politikerin war auf Einladung des Vereins Zukunft Elbinsel in das Bürgerhaus gekommen, um ihre Pläne für die Verlegung der Reichsstraße an die Bahnstrecke vorzustellen. Die Idee wurde auf der Zukunftskonferenz für den Stadtteil 2001/ 2002 geboren, bei der mehr als 100 Bürger zusammen mit Behördenvertretern und Fachleuten Visionen für den Stadtteil entwickelten. Die Verlegung der vierspurigen Schnellstraße sollte „Platz für über 1.000 hochwertige Wohnungen, attraktive Gewerbeflächen und völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten der Wilhelmsburger Mitte“ schaffen.

Doch was damals wie ein Traum schien, erscheint vielen Viertelbewohnern heute als Alptraum. Den damals geforderten Lärmschutz bezeichnen einige als „chinesische Mauer“. Wer östlich der Bahn wohnt fürchtet, dass der Lärm zunehmen werde. Weil die Straße breiter werden soll, geht die Angst vor einer Autobahn um. Am liebsten wäre es den meisten Wilhelmsburgern, so schien es auf der Versammlung, wenn die Reichsstraße als Schnellstraße aufgelöst, der Verkehr verringert und dann auf Stadtstraßen durch den Stadtteil geschummelt würde.

Der Streit um die Autobahn ist ein Streit um das Etikett und auch wieder nicht: Die heutige Schnellstraße soll von 14 auf 28 Meter verbreitert werden. Die städtischen Planer behaupten, die Straße müsse ohnehin saniert werden. Außerdem sei sie in ihrer jetzigen Breite weder dem heutigen Verkehrsaufkommen noch den Sicherheitsanforderungen gewachsen.

Der Bund würde sich an einer Sanierung und Modernisierung inklusive neuer Lärmschutzwände beteiligen. Was läge da näher, als das Geld dafür zu nutzen, die Straße zu verlegen, den Lärm auf die Bahnstrecke zu konzentrieren und die Zerschneidung des Stadtteils aufzuheben? „Die Sanierung der heutigen Wilhelmsburger Reichsstraße wäre ein Schildbürgerstreich“, sagt sogar Hans-Jürgen Maass, Verkehrsexperte von Zukunft Elbinsel.

In der Initiative vertritt er damit anscheinend eine Minderheitenmeinung. Die Alternative Sanierung an Ort und Stelle oder Verlegung an die Bahn mit 28 Metern Breite bezeichnet der Wilhelmsburger Manuel Humburg als Erpressung. „Ob da ein gelbes oder blaues Schild steht, ist egal“, sagt der Arzt. Wie Maass und Michael Rothschuh ein weiterer Verkehrsexperte des Vereins, verlangt er ein fundiertes Gesamtkonzept. Es müsse eine Analyse vorgelegt und darauf aufbauend ergebnisoffen diskutiert werden, wie der Verkehr bewältigt werden könne.

Die Initiative plagt der Alptraum, die von Stade her in Bau befindliche A 26 könnte auf die Elbinsel verlängert und als Autobahnkreuz mit der Reichsstraße verknüpft werden. Hajduk verwies darauf, dass nur die Pläne für die Verlegung der Reichsstraße spruchreif seien. An der Hafenquerspange werde noch gearbeitet. Weder ein ersatzloser Rückbau der Reichsstraße noch ein Verzicht auf die Querspange sei realistisch.