Gefrorene Musik

Die Schwedin Anna Ternheim ist in ihrer Heimat längst ein absoluter Superstar. Mit ihrem neuen Album „Leaving On A Mayday“ geht die melancholische Songwriterin einen guten Schritt Richtung Pop und will den Rest der Welt erobern

Architektur ist, folgt man Schopenhauer, nichts weiter als gefrorene Musik. Und vielleicht würde Anna Ternheim heute ihre Musik in Gebäuden gefrieren lassen, wäre das alles so einfach. Aber Architektur, das bräuchte Leidenschaft – und ist verdammt harte Arbeit. Damit die Schwedin dafür motiviert genug wäre, müsste schon etwas irgendetwas passieren. Unvorstellbar, was das sein könnte, sagt die 31-Jährige. Und so errichtet Ternheim statt steinernen Brücken über reißende Ströme etwas ganz Ähnliches: musikalische Brücken über die tiefsten Abgründe der Liebe. Die sind meist zerbrechlich und schwer, aber sie führen auf die andere Seite. Auch wenn man da allein ist.

Schon mit ihrem Debütalbum „Somebody Outside“ hat Ternheim vor fünf Jahren Aufsehen erregt. Aufgenommen hat sie Songs aus den vergangenen zehn Jahren, in einem alten Sägewerk auf der Insel Gotland. Ternheim singt mit beeindruckend eindringlicher Stimme und ganz ohne Kitsch und selbstgerechtes Pathos über Einsamkeit, die Vergänglichkeit von menschlichen Beziehungen, über Liebe und ihr Vergehen. Der einzige Lichtschein scheint da bisweilen die tief stehende Sonne auf dem Cover zu sein.

Nicht nur die Kritiker waren begeistert von der leisen, dunklen Platte. Ternheims Konzerte waren in Schweden schon bald alle ausverkauft und preisgekrönt ist die Stockholmerin auch längst mehrfach. Die schwedische Grammy-Jury zeichnete sie schon für ihr Debüt als besten Newcomer aus und nominierte sie als beste weibliche Künstlerin, beste Texterin und beste Songwriterin. Ternheims zweites Album „Separation Road“ aus dem Herbst 2006 bescherte ihr den Preis als beste weibliche Künstlerin und beste Texterin, nominiert war sie als beste Songwriterin und für das beste Album.

Im Winter ist Ternheims drittes Album „Leaving On A Mayday“ erschienen. In New York aufgenommen – während sie daneben zusammen mit dem „Sonic Youth“-Drummer Steve Shelley und dem Gitarristen Matt Sweeney die Musik zum Schauspiel „Im Lichtermeer“ von Stefan Metz geschrieben hat – hat sie damit einen großen Sprung in Richtung Pop gemacht. Als Prodzenten und Mit-Komponisten hat sie dafür „Peter, Bjorn & John“-Mitglied und Multiinstrumentalist Björn Yttling verpflichtet. Und so gibt es von allem viel mehr und zugleich weniger: Backing-Sängerinnen, Gitarren und viele, viele Streicher. Aber immer im Hintergrund. So tritt Ternheims Stimme, die auf dem zweiten Album „Seperation Road“ noch den Streichern weichen musste, wieder in den Vordergrund. Dabei ist „Leaving In A Mayday“ für Ternheim selbst eher „asketisch“, „eine schmutzige weiße Feder“. Während der Vorgänger ein „schwarzer, glänzender, schwerer Stein“ gewesen sei. Es macht eben einen Unterschied, welches Baumaterial man verwendet. Für Musiker genauso wie für Architekten.ROBERT MATTHIES

Di, 14. 4., 21 Uhr, Uebel und Gefährlich, Feldstraße 66