Richtig oder falsch?

SCHULSTREIT Die Gegner der Primarschule sollen durch Desinformation für ihre Sache geworben haben. Die taz hat sich drei Argumente genauer angesehen

Die Primarschulen können das Prinzip des jahrgangsübergreifeden Unterrichts wählen, wie es etwa an der Clara-Grunwald-Schule in Allermöhe praktiziert wird: Dort lernen Kinder der ersten und zweiten sowie der dritten und vierten Klasse zusammen. Zusätzlich soll künftig die Binnendifferenzierung in der Klasse Vorrang haben. Die Aufteilung der Kinder nach Leistung – die äußere Leistungsdifferenzierung – soll es nur als temporäre Ausnahme geben. Dass sie im Rahmenkonzept überhaupt erwähnt wird, gilt als Zugeständnis an die Kritiker durchgesetzt. kaj

Ihr Demo-Aufruf enthalte nicht belegte und unwahre Behauptungen, diesen Vorwurf mussten sich die Primarschulgegner von mehreren Seiten anhören. Die taz ging mit Walter Scheuerl von „Wir wollen lernen“ und Schulbehördensprecherin Brigitte Köhnlein drei Punkte durch:

Abschaffung der Klassengemeinschaften: Scheuerl beruft sich hier unter anderem auf den Schulgesetzentwurf. Heißt es bisher unter Paragraf 11 „der Unterricht wird im Klassenverband oder in Kursen erteilt“, heißt es dort künftig „jede Schülerin und jeder Schüler gehört einer Lerngruppe oder Klasse an“. „Der Begriff Klassenverband wurde entfernt“, sagt Scheuerl. „Ob man von ‚Klasse‘ oder ‚Klassenverband‘ spricht, ist etwas anderes.“ Die Kinder würden nicht weiter in einer Klasse a, b oder c hochwachsen, sondern in einem individualisierten System „jede Woche in unterschiedlichen Lerngruppen sitzen“.

Behördensprecherin Brigitte Köhnlein sieht hier ein Missverständnis vorliegen. „Fakt ist: Niemand möchte den Klassenlehrer oder den Klassenverband abschaffen.“ Auch der Gesetzesbegründung zufolge bleibe das Prinzip des „Klassenlehrers als fester Bezugsperson“ erhalten. Der Begriff „Lerngruppe“ steht dafür, dass es innerhalb der Klassen auch möglich ist, jahrgangsgemischt zu arbeiten.

Nur 30 Prozent dürfen aufs Gymnasium: Hier bezieht sich Scheuerl auf Äußerungen von Behördenvertretern auf Veranstaltungen im vorigen Herbst. Inzwischen hat GAL-Schulsenatorin Christa Goetsch mehrfach öffentlich versichert, dass keine solche Quote geplant ist und bei der Planung des neuen Schulsystems in den 22 Regionalen Schulkonferenzen (RSK) vom Status quo ausgegangen wird. Davon kann sich jeder Bürger auf der Homepage der Schulbehörde überzeugen, indem er die RSK-Datenblätter ausdruckt, die für Gymnasien angegebenen Klassenzüge addiert. Es sind rund 41,5 Prozent, so viele, wie heute eine 7. Gymnasiums-Klasse besuchen.

Jedes dritte Gymnasium von Schließung bedroht: Hier bezieht sich Scheuerl darauf, dass heute viele Kinder ohne Empfehlung aufs Gymnasium gehen, die dies künftig nach Wegfall des Elternwahlrechts nicht mehr könnten. An manchen Gymnasien in Gebieten wie Billstedt sind dies bis zu 50 Prozent. Bei Scheuerls Behauptung handelt es sich um eine Prognose: Reformbefürworter gehen davon aus, dass in der sechsjährigen Primarschule Kinder, die bisher keine Gymnasiumsempfehlung bekamen, mehr lernen. KAIJA KUTTER