Rhetorik der Absage

POST-POST-HARDCORE Auf seiner dritten LP „Informant“ sucht das Duisburger Quintett „Telemark“ Anschlüsse an den breiteren Geschmack. Weil die Anschlüsse an die bekannten Modelle popkultureller Dissidenz ohnehin lange schon zerstört sind

Es gibt einen besseren Ort, die Suche geht weiter und sie kann gut klingen

VON NILS SCHUHMACHER

Es war schon mal besser um die hiesige Popkultur bestellt. In diesen Zeiten ging es in ihrer Maximalversion um nicht weniger als um die Frage, mit wem da wie gegen wen zu gewinnen ist, in seiner weniger politisch aufgeladenen Version immerhin noch um den Willen zur strikten Abgrenzung, die zumindest einen kurzen Augenblick lang so gemeint, vor allem auch erlebbar war.

Von diesem Habitus des offensiven Nicht-Dabeiseins ist wenig mehr als bloße Rhetorik übrig geblieben. Allenfalls kann man ihn noch bei jenen finden, denen ohnehin kaum etwas anderes übrigbleibt, weil sie Marktgängigkeit mit ihrer Musik beim besten Willen nicht erreichen. Ansonsten gilt: Nach der Verstopfung des Betriebs mit wunderbar anmaßenden, unrealistischen und politisierbaren Glücksversprechen findet man sich nun in einer Phase des Durchfalls wieder, in der in rasender Geschwindigkeit Positionen, Stile und Bands unverwertet durch einen hindurchrauschen, um schnell wieder vergessen zu werden. Das Einzige, was die zur Gesamtpopkultur verflüssigten und abführbereiten Ex-Subkulturen unter solchen Bedingungen noch anzubieten haben, sind der ewige Sieg der Jugendlichkeit oder die Kapitulation. Man verharrt bis zur Rente in infantiler Geste oder man sagt ab – sofern man es sich leisten kann.

Als Gefangene zwischen diesen beiden Modellen präsentieren sich die Duisburger „Telemark“ und man muss allein schon für diese, so außerordentlich selten gewordene, unbequeme Standortbestimmung dankbar sein. In den frühen Jahren noch als rockender „Ruhrpott-Böller“ durch die Fachmagazine gereicht, gehörten „Telemark“ bisher ganz eindeutig in das Genre, das man bisweilen Post-Hardcore nennt und das seine ersten Popularisierungen durch Bands wie „No Means No“ und „Fugazi“ erfahren hat.

Im deutlichen Unterschied zu den USA hat sich hierzulande allerdings eine eher poppig-eingängig orientierte Version bislang kaum entwickelt. Mit ihrer dieser Tage erschienenen dritten LP „Informant“ könnte dies nun anders werden, denn „Telemark“ schließen mit noisigen Gitarreneinschüben und dem Mut, das Lied in der Mitte auseinanderzubrechen, zwar an beste Hardcore-Traditionen an. Andererseits sind sie zunehmend deutlich an den geschlossenen und treibenden Rhythmen und der zurückgenommenen Vehemenz aus der New Wave-Disco orientiert. Auf der Basis eines unermüdlich treibenden Schlagzeugs wird, das ist neu, auf klassische Songstrukturen, eingängige Refrains mit Wiedererkennungswert und Tanzbarkeit gesetzt.

Und dies mit Erfolg. Nicht zuletzt, weil Bass und maßvoll eingesetztes Keyboard die Bewegung stützen, in der alles geordnet nach vorne stürmt. In auffälligem Kontrast zu dieser Erfrischung stehen eine in gewisser Launigkeit daherkommende Verweigerungshaltung und die Geschlossenheit, mit der sie vorgetragen wird. Während die Musik zielsicher Anschlüsse an den breiteren Geschmack auslotet, lautet das Eingeständnis, dass die Anschlüsse, zum Beispiel an die bekannten Modelle popkultureller Dissidenz lange schon zerstört sind. Was bleibt jenseits der notorisch jugendlichen Rebellen- und der saturierten Unzufriedenheitsdarsteller? Dreierlei: Es gibt einen besseren Ort, die Suche geht weiter und sie kann im Zweifelsfall gut klingen.

Sa, 6. 6., 21 Uhr, Astra-Stube, Max-Brauer-Allee