„Das ist kein Dauerzustand“

HÄUSLICHE GEWALT Die SPD-Fraktion will einen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen auf den Weg bringen. Warum, erklärt ihre gleichstellungspolitische Sprecherin Gabi Dobusch

■ ist gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in Hamburg und gehört dem Fraktionsvorstand an. Foto: SPD

INTERVIEW FRIEDERIKE GRÄFF

taz: Es gibt in Hamburg bereits eine Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt, einen runden Tisch und ein polizeiliches Handlungskonzept zum Thema. Warum will die SPD jetzt noch einen Landesaktionsplan, Frau Dobusch?

Gabi Dobusch: Es gab auf Bundesebene noch einmal eine Auswertung der Daten, die gezeigt haben, dass Gewalt gegen Frauen in der Mitte unserer Gesellschaft ist. Gegen gängige Vorurteile betrifft es nicht nur Frauen am Rande der Gesellschaft oder Frauen mit Migrationshintergrund. Außerdem ist es wichtig, den Geschlechterhintergrund dabei nicht auszublenden.

Also das weiblich-männliche Rollenverständnis?

Genau. Es spielt eben eine Rolle, welches Bild wir voneinander haben. Beides war mir in Hamburg nicht klar genug herausgearbeitet.

Was Sie jetzt mit dem Aktionsplan einforden, ist die Festlegung konkreter Ziele. Eine Analyse des Rollenverständnisses ist nicht ganz so leicht in seinen Fortschritten zu überprüfen.

Ich habe bereits zu Anfang der Legislaturperiode eine große Anfrage gestellt, um mir ein Bild zu verschaffen, wie es in Hamburg aussieht und habe immer wieder die Antwort bekommen: „Diese Daten werden in Hamburg nicht statistisch erfasst“, oder: „Die zur Beantwortung erforderliche Sonderauswertung kann nicht geleistet werden.“

Auch die polizeiliche Kriminalstatistik schlüsselt die häusliche Gewalt – außer bei Kindesmisshandlung – nicht weiter auf.

In den letzten Jahren war es ja zumindest auf Bundesebene möglich, leichte Veränderungen durchzusetzen. Zum Beispiel wird erfasst, wenn es sich um Täter mit Verwandtschaftsbezug handelt. Ich bin der Meinung, dass man dies noch einmal grundsätzlich diskutieren muss: Wenn wir fragen, wie viele Frauen Opfer männlicher Gewalt werden und die Antwort lautet: „So etwas wird nicht erfasst“ – ist das kein Dauerzustand.

Im Antrag Ihrer Partei heißt es, dass sich bei vielen Frauen der Eindruck verfestige, die Polizei könne sie nicht wirksam vor Gewaltandrohungen schützen. Woran machen Sie das fest?

Es gibt natürlich keine Studie darüber, ob das bereits der Fall ist. Im letzten Jahr sind mehrfach Frauen Opfer von Gewalttaten geworden, die bereits Kontakt zur Polizei oder zu Hilfseinrichtungen hatten. Auch durch bestimmte Berichte in den Medien konnte da der Eindruck entstehen, es sei gefährlich, sich aus solchen Situationen zu befreien, weil man letztendlich nicht geschützt werden könne. Alles, was Frauen noch mehr zögern und in ihrer dramatischen Situation verharren lässt, ist schädlich.

Noch darf nur die Polizei kein Kontaktverbot aussprechen. Wo liegen da die Widerstände?

Das Gesetz gibt es nicht her. Und es gibt viele Hinweise, dass bei diesen Abläufen viel dem Zufall überlassen ist. Ob die Frauen begleitet zu Gericht gehen, ob die Beweissicherung vor Ort standardgemäß durchgeführt wird. Andere Bundesländer veröffentlichen ihre Checklisten zur Beweissicherung. Die Polizei ist sehr engagiert, aber wenn eine Frau sie ruft, ist es gut möglich, dass es eben nicht die gleiche Besetzung ist wie beim letzten Mal und dass sie keine Informationen darüber hat, dass die Frau sich bereits mehrfach gemeldet hat. Ähnliches gilt für die Staatsanwaltschaft.

Geht es beim Aktionsplan um eine bessere Vernetzung, eine andere Kultur des Hinsehens – oder auch ganz praktisch um mehr finanzielle Mittel?

Es geht auch um finanzielle Mittel. Eine meiner Fragen war, ob die Kapazitäten der Frauenhäuser ausreichend sind. Es hieß, die Auslastung läge bei 80 Prozent. Zwischenzeitlich wurde mir aber deutlich, dass man als Frau in einer Notsituation möglicherweise auch nach Schleswig-Holstein vermittelt wird. Viele Frauen riskieren damit ihren Arbeitsplatz, und die Kinder können nicht mehr in die gewohnte Kita oder Schule. Oder die Täterprogramme: Muss das immer eine freiwillige Geschichte sein? Und wie steht es mit der Finanzierung?