Kein Grund zum Jubel

FC ST. PAULI Nach dem lebensgefährlichen Unfall eines Fans beim Spiel in Aachen kann sich am Millerntor niemand über Tabellenführung freuen

Die frohe Botschaft kam verfrüht. Hatte der FC St. Pauli am Dienstagvormittag auf seiner Homepage noch verkündet, der Fan, der nach der Partie bei Alemannia Aachen im dortigen Stadion sechs Meter tief von einer Brüstung gestürzt und mit dem Kopf auf den Beton-Boden aufgeschlagen war, sei über den Berg und befinde sich in stabilem Zustand in einem künstlichen Koma, so korrigierte die Aachener Polizei am Nachmittag. Der 39-jährige, der sich schwere Schädelverletzungen und Frakturen beider Unterarme sowie wohl auch im Brustwirbel-Bereich zugezogen habe, sei noch immer in Lebensgefahr, hieß es.

Die Einweihungs-Party für das „Neue Tivoli“, wie das erst am Montag eröffnete Aachener Stadion heißt, geriet damit zum Desaster. Und auch am Millerntor konnte sich niemand über den völlig unerwarteten 5 : 0-Kantersieg bei den Westfahlen freuen, der dem Kiez-Club die erste Zweitliga-Tabellenführung seit acht Jahren beschert. „Wir geben die Tabellenführung sofort für die Gesundheit des Menschen her“, sagte ein erschütterter Pauli-Trainer Holger Stanislawski nach dem Spiel. Die obligatorische Pressekonferenz nach Spielende fiel aus, der Reporter des Sportkanals DSF, der die Partie übertrug, brach die Befragung der Trainer unmittelbar nach Bekanntwerden des schrecklichen Zwischenfalls sofort ab.

Tief bedrückt und schockiert kehrten die Spieler des FC St. Pauli von ihrem Aachener Gastspiel heim. Sie waren, wie etwa Davidson Drobo-Ampen und Deniz Naki, Augenzeugen des Sturzes gewesen. „Wir waren gerade mit den Fans am Feiern, da sahen wir einen Schatten, der vor uns auf dem Beton aufschlug“, gab Naki, mit Tränen in den Augen, zu Protokoll. „Wir sind tierisch geschockt. Aber als wir die Meldung gehört haben, dass er stabil ist, konnten wir uns wenigstens etwas über den Sieg freuen“, sagte Teammanager Christian Bönig – zu diesem Zeitpunkt noch davon ausgehend, dass der Fan außer Lebensgefahr sei. Etwa 25 mitgereiste Fans mussten am Ort des Geschehens noch seelsorgerisch betreut worden.

Auch wenn die Aachener Polizei das gerade erst baupolizeilich abgenommene Stadion in einer ersten Stellungnahme von „baulichen Mängeln“ freisprach, löste der von ihr als „Unfall ohne Fremdeinwirkung“ klassifizierte Sturz eine erneute Sicherheitsdiskussion aus. Die Alemannia überlege, eine Scheibe oder eine höhere Brüstung vor den Gäste-Block zu setzen, teilte Vereins-Sprecher Thorsten Pracht mit.MARCO CARINI

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