HAMBURGER SZENE VON KLAUS IRLER
: Energie im Raum

Schwer, die Wucht im Reeperbahn-Club Molotow zu beschreiben. Drei Musiker sind es auf der Bühne. Direkt davor vielleicht 40 Menschen, die springen. Die keine Kontrolle mehr haben über ihren Platz im Raum und immer wieder von hinten über die Monitorboxen gedrückt werden. 40 Menschen, die sich wie ein biblisches Meer teilen, als der Sänger Platz fordert, um vor der Bühne einen Kopfstand zu machen.

Hinter den 40 springenden Leuten stehen nochmal 60. Auch sie sind in Bewegung, nur dezenter. Es geht gar nicht anders. Weil die Musik an den Instinkt appelliert, durch den von allen geteilten Rhythmus miteinander zu kommunizieren. Die Musiker auf der Bühne bringen alles, was sie aus ihren Instrumenten und Stimmbändern rauskriegen, mit aller Kraft auf den Punkt. Dazu kommen hymnische Akkorde. Die sorgen für die Euphorie.

Bei der eingängigsten und mächtigsten dieser Akkordfolgen stürmt das Publikum die Bühne. Teile der männlichen Bühnenstürmer haben den Oberkörper entblößt. Der Sänger steht auf der Box, dann auf der Bass-Drum, die Kontrolle über seine Stimme verliert er nie. Die Tänzer auf der Bühne interessieren sich nicht für ihn. Weil sich hier niemand interessiert, sondern alle nur reagieren auf die Energie, die im Raum ist.

Die drei Musiker auf der Bühne sind die Rockband New Politics aus New York. Sie sind eine der Bands, die im Molotow vor einem kleinen Publikum auftreten und aller Voraussicht nach demnächst nur noch auf den großen Bühnen zu sehen sein werden. Wie die White Stripes oder die Hives zum Beispiel. Die fingen auch klein im Molotow an und es muss Leute gegeben haben, die dabei waren.