Außer der Reihe in Hochglanz

EINKAUFEN In seinem Buch „Schöne Geschäfte – Außergewöhnliche Läden in Hamburg“ feiert Journalist Mathias Thurm den individuellen Einzelhandel

„Schöne Geschäfte“ ist nicht als Klagelied gegen die Gentrifizierung zu lesen

Es gibt Städte, deren Stadtführer erzählen von Biergärten oder von Currywurstständen. Hamburg aber ist eine Stadt des Handels, und weil das so ist, assoziiert man mit Hamburg mehr den Fischmarkt als den Fisch. Nun ist ein Buch erschienen, das zugleich Stadt- und Einkaufsführer sowie Fotoband ist und die Hamburger Fixierung auf den Handel auf nochmal eigene Art aufgreift: „Schöne Geschäfte – außergewöhnliche Läden in Hamburg“ heißt das Buch, dessen Name Programm ist: Autor und Fotograf Mathias Thurm stellt darin 37 Läden vor, die es nur in Hamburg gibt.

Herausgekommen ist ein Sammelsurium von Texten und Fotos über kleine Läden, ihre Betreiber und ihre Geschichte. Auf unterschiedliche und originelle Produkte spezialisiert, trotzen diese Geschäfte den Ketten und den Großunternehmen. „Männerträume“ zum Beispiel: Dort gibt es Spielzeug und Modellautos für Erwachsene. In der „Scherben-Klinik“ kann man zerbrochene Porzellanfiguren reparieren lassen. Der „Tropenausstatter“ spricht für sich selbst.

Teilweise sind diese Unternehmen alteingesessene Familienunternehmen, wie der „Eisenwarenladen Schüllenbach“, der seit 1866, inzwischen in der fünften Generation, Nägel und Schrauben verkauft. Aber auch neuere Geschäfte haben ihren Weg in den Sammelband gefunden. Eines von ihnen ist das „Lockengelöt“ auf St. Pauli. Hier wird scheinbar Unnützes neu verarbeitet: Aus alten Büchern werden Schlüsselhaken, aus Waschmaschinentrommeln Kommoden, aus Platten werden Lampen.

Das Schöne an den Geschäften ist mal eine familiengeführte Tradition, mal eine mutige Geschäftsidee und manchmal auch der Charme, dass es sie nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten eigentlich gar nicht mehr geben dürfte. Schön an ihnen ist, dass sie individuell sind. Deswegen lernt man nicht nur die Läden kennen, sondern auch deren Besitzer, die für das Buch interviewt und fotografiert wurden.

Die Idee zu diesem Bildband hatte Autor Thurm bereits 2007, als er für einen St. Georg-Fotokalender fotografierte: „Ich dachte mir: Diese Läden musst du fotografieren, sonst sind sie bald weg.“ Tatsächlich hatten bis zur Veröffentlichung des Kalenders ein paar der abgebildeten Betriebe schließen müssen. „Schöne Geschäfte“ ist aber nicht als Klagelied gegen Gentrifizierung zu lesen, sondern eher als Einkaufsführer durch die alternative Einkaufsszene. Es ist kein kritisches Buch, sondern ein affirmatives.

Das zeigt sich auch bei der Fotoauswahl: Ein Großteil der Beiträge arbeitet mit Produktfotografie in Hochglanz. Formal erinnert das oft an einen Werbeprospekt – inhaltlich dominiert das Unkonventionelle.

NORA LASSAHN

Mathias Thurm: „Schöne Geschäfte – Außergewöhnliche Läden in Hamburg“. Junius Verlag, 2010. 160 Seiten. 19,90 €.