Leben am Strom: Die Schönheit des Deichbaus

IBA und Hafencity fragen nach Ideen zur Gestaltung der Stadtküste. Heraus kommen Skulpturen zum Hochwasserschutz und bewohnbare Werbetafeln.

Starre Mauer wird Erlebnisraum: Buchten und Treppen der künftigen Hochwasserschutzanlage am Baumwall (links). Bild: Stadtentwicklungsbehörde

Wie sich aus einer Not eine Tugend machen lässt, führt Stararchitektin Zaha Hadid am Baumwall vor. Auf 650 Metern Länge wird dort nach einer Idee von ihr der Hochwasserschutz verbessert und aus einer Barriere ein Stadtmöbel: Die heutige Promenade, die wie eine Wand zwischen Elbe und Baumwall steht, erhält auf beiden Seiten weitläufige Treppenbuchten, die eine Verbindung zwischen Stadt und Strom herstellen und überdies den Aufenthalt schöner machen. "Wir wollen, dass von unseren Bauwerken aus die Stadtküste erlebbar wird", sagt Hans-Jochen Hinz, der Chef des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG).

Hadids Idee ist vor fünf Jahren im Rahmen einer vom Senat ausgerufenen Architektur-Olympiade entstanden. Sie kann als Musterbeispiel dafür gelten, wie der Hochwasserschutz zum Instrument der Stadtgestaltung werden kann. Die Ergebnisse eines Workshops ausschließlich zum Thema "Stadtentwicklung und Hochwasserschutz" haben vor kurzem die Internationale Bauausstellung (IBA) und die Hafencity vorgestellt. Denn sowohl die IBA, die ja im tief liegenden Wilhelmsburg spielt, als auch die vor den Flutschutzwänden liegende Hafencity müssen sich mit dem Thema Hochwasserschutz auseinandersetzen.

Die Hafencity wird zwar zum größten Teil auf Warften errichtet, am Oberhafen jedoch möchten ihre Entwickler von dem Prinzip abweichen, um eine behutsame Entwicklung zu ermöglichen. Die alten Lagerhallen dort sollen erhalten bleiben als Räume, in denen sich Kreative niederlassen können. Ohne Warft oder Deich mussten neue Wege gefunden werden, um Menschen und Güter zu schützen.

Zehn Prozent der 1,8 Millionen HamburgerInnen sind durch Sturmfluten bedroht. Der Rest wohnt auf der Geest.

36 Prozent des Stadtgebiets sind hochwassergefährdet.

Mehr als 100 Kilometer Deiche und Mauern schützen dieses Gebiet. Seit 1693 sind die Deiche von drei auf bis zu 9,25 Meter erhöht worden. Seither hat sich der Deichfuß von etwa fünf auf 53,50 Meter verbreitert.

1962, zur Zeit der fatalen Sturmflut, waren sie nur 5,70 Meter hoch und 12,10 Meter breit.

Die Berliner Büros SMAQ und Anna Viader schlagen Fluchtwege und -räume über dem Niveau der bestehenden Hallen vor. Der Bahndamm soll zu einem parkartigen Deich mit Fluchtweg erweitert werden. Über den Hallen würde ein Cluster dreiseitiger Werbetafeln an hohen Pfählen errichtet, wie man sie von Ikea kennt. Diese Konstruktionen könnten hochwassersichere Ateliers, Studios und Lagerräume aufnehmen.

Ein ähnliches Konzept entwarfen die beiden Büros für den bestehenden Teil der Hafencity. Weil Warften mit Gebäuden darauf bei steigendem Meeresspiegel schlecht erhöht werden können, empfehlen sie "fliegende Warften": Auf die bestehenden Gebäude könnte eine weitere Ebene mit einem Netz von Fluchtwegen gelegt werden. Hier könnte gewohnt, eingekauft, gespielt oder Energie erzeugt werden. Allerdings müssten nach heutigem Recht Feuerwehrautos und Rettungswagen über die Gebäude fahren können - kein triviales Problem, wie Jürgen Bruns-Berentelg der Chef der Hafencity-Gesellschaft zu bedenken gibt.

Doch IBA und Hafencity wollten ohnehin keine fertigen Konzepte, sondern "Denkanstöße". Einen solchen lieferten auch "Observatorium" und "De urbanisten" aus Rotterdam: Sie ringeln einen Deich zur Schnecke und machen daraus in verschiedenen Dimensionen Erlebnisräume - vordeichs an der Süderelbe ein weitläufiges Naturtheater, in dem Ebbe und Flut zu erleben sind; im Spreehafen eine Bühne mal mit, mal ohne Wasser; am Krahnhöft auf dem Kleinen Grasbrook ein über dem Wasser schwebendes Haus.

"Wir sehen die Schönheit des Deichbaus", sagt Ruud Reutelingsperger von "Observatorium". Bei seiner Idee gehe es darum, den Schutz zu erleben, den ein Deich bietet. "Wenn man den Deich genießen kann, erklärt er sich leichter", ergänzt sein Kollege Florian Boer. "Wenn es gelingt, durch ein künstlerisches Objekt das Bewusstsein für ein solches Bauwerk zu heben, ist das gut", findet LSBG-Chef Hinz.

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