Schweinerock im Weltall

SYNTHIE-ROCK Wie ernsthaft der Drahtseilakt ist, den das Chicagoer Trio Trans Am zwischen Gitarren-Rock und Elektronik-Avantgarde tanzt, ist nicht immer klar. Stoff für Diskussionen ist immer drin – und jede Menge Spaß

Erst mal wird alles von der Lust am Rock – ja, auch am Schweinerock – übertönt

VON ROBERT MATTHIES

Ob es sich um eine besonders gelungene Hommage oder schlicht um hemmungslose Albernheit handelt, weiß man beim Chicagoer Trio Trans Am nie so genau. Um peinliche Rock-Posen wie Muskelshirts und umgehängte Keyboards waren Nathan Means, Philip Manley und Sebastian Thomson jedenfalls trotz aller Elektronik-Importe bis heute nie verlegen, und als man sie Anfang der 90er allzu schnell neben ihren Thrill-Jockey-Label-Kollegen Tortoise in die Postrock-Schublade stecken wollte, beeilten sich die drei klarzustellen, dass neben den tatsächlich unüberhörbaren Can- oder New-Order-Einflüssen immer auch eine gute Portion Van Halen oder Boston mitschwingt.

Dass es sich aber bei dem mitunter wagemutigen Drahtseilakt zwischen Spandex-Hosen-Gitarren-Machismo und feingeistiger Elektronik-Avantgarde eben doch nicht nur um eine von Kritikern schlicht falsch verstandene albern-rockistisch aufgemotzte Liebeserklärung an 80er-Videospiel-Musik handelt, machte nicht zuletzt ihr viel beachteter Beitrag zu Mille Plateauxs anspruchsvoller Elektronik-Anthologie und Philosophen-Hommage „In memorian Gilles Deleuze“ deutlich.

Und obwohl Trans Am spätestens mit ihrem 1999er-Album „Futureworld“ alle Versuche, sie in die Postrock-Ecke zu drängen, ad absurdum geführt haben, darf man sicher sein, dass trotz allem offensichtlichen Spaß am insbesondere live so nonchalant dahinimprovisierenden Elektronik-Rock-Kauderwelsch stets eine ernstzunehmende und mitunter durchaus ernsthafte Auseinandersetzung mit dem beackerten Feld stattgefunden hat. Da kann man schon mal das teutonische „AM Rhein“ als geschichtsbewusste Kurzschließung der aufgeräumten Elektropop-Kraftwerk von 1975 mit deren wüstem Experiment-Beginn lesen und dem langgezogenen Windows-98-Start-Sound in „Let’s Take The Fresh Step Together“ mehr Bedeutung beimessen als einem einfachen Witz.

Andererseits kann man sich mit derart akademischen Diskussionen auf einem Trans Am-Konzert auch ordentlich lächerlich machen. Vor allem angesichts des aktuellen Albums „Thing“, das die Chicagoer im letzten Jahr nach drei Jahren Sendepause vorgelegt haben. Das nämlich reißt das Ruder nach dem synthiepoppigen Vorgänger „Sex Change“ wieder rum und wirft sich selbst tief hinein in den Space-Progrock-Bombast der verschwenderischen 70er. Und obwohl niemand abstreiten wird, dass man es hier mit drei konzentrierten und ungemein intelligenten Musikern zu tun hat, wird erst mal alles von der unbändigen Lust am Rock und ja, auch am Schweinerock, übertönt. Und der Drahtseilakt zwischen gelungener Hommage und hemmungsloser Albernheit macht vor allem erst mal Spaß.

■ Fr, 15. 7., 21.30 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84