Garage mit Hallen-Anbau

KARRIERELEITER-ROCK Längst vorbei sind die Zeiten, in denen die Black Keys im Minivan dreckigen Garagen-Blues durch die Lande fuhren. Heute wird für große Hallen produziert – und im großen Hotelzimmer übernachtet

Erfolg heißt freilich auch, treue Fans nicht völlig zu vergrätzen

VON MICHAEL SAAGER

Die Erfolgsgeschichte der Black Keys geht weiter. Immer weiter. Muss sie wohl auch, schließlich hat bei den Aufnahmen von „El Camino“, dem siebten Album unseres beliebten Blues-Rock-Duos, Brian Burton (Danger Mouse) an den Reglern gesessen – der erfolgreiche Überproduzent niveauvollen Powerrockpops. Und zwar im bandeigenen Studio in Nashville. In der Welthauptstadt des Country sind Gitarrist Dan Auerbach und Schlagzeuger Patrick Carney nämlich derweil zu Hause. Raus aus dem langweiligen Akron in Ohio.

Erfolg erleichtert das Umziehen und macht die Geschichte, dass in Nashville jeder zweite blind geworfene Kieselstein einen waschechten Musiker träfe, erst wirklich attraktiv. Erfolg? Der fängt wann genau an? Vielleicht hier: Gleich drei Grammys gab’s für das Vorgängeralbum „Brothers“ aus dem Jahr 2010. Mit Sicherheit hätte es die nicht gegeben, wenn die Black Keys ihre Songs nicht rechtzeitig aus der rostigen Trommel ihrer kaputten Waschmaschine im Keller geholt und zum Trocknen auf die Leine in die poppig strahlende Sonne gehängt hätten.

Erfolg heißt freilich auch, treue Fans nicht völlig zu vergrätzen. Weil das Herz der beiden einstigen Rasenmäherfahrer auf seinem tiefstem Grund eine Garage ist, hatten Auerbach und Carney dem charmant rumpelnden Knochenblues ihrer Vergangenheit auf „Brothers“ nur eine kleine Grube ausgehoben. Zu Grabe tragen wollten sie ihn dann lieber nicht. Und haben es dann auch gelassen. Musikalischer Sex mit dem hymnischen Glamrock Marc Bolans und dem trockenen Geradeaus-Funk der Meters schenkte ihnen zahlreiche neue Freunde.

Damit waren sie endgültig vorbei, die Zeiten im klapprigen Minibus. Vorbei die Ochsentouren durch die Clubs amerikanischer Kleinstädte. Die ungezählten unbequemen Nächte auf krummgelegenen WG-Sofas. Von dieser Vergangenheit, die 2001 begann, erzählt nur noch das Cover des neuen Albums „El Camino“ – das einen Minibus zeigt.

Denn Danger Mouse, der auch schon Hand an „Brothers“ gelegt hatte, hat nun mal getan, was er eben am besten kann: Ohrwürmer zum Tanzen bringen. Gib uns die Kraft, die Dynamik! Gib uns satte, knackige, erdige Grooves! Mach die Räume weit, umso besser passen unsere Songs in die richtig großen Konzerthallen! So oder so ähnlich. Aber wer könnte es den beiden auch verübeln?

Der eiserne Purist von ganz früher, mag sein. Der Rest darf sich erfreuen an einer raumgreifend-wuchtigen, dicht gefugten und stets hübsch auf den Punkt gespielten und produzierten Rock’n’Roll-Platte, die für den Dancefloor wie gemacht scheint. Für den Indie-Dancefloor und für den Deppendisco-Dancefloor. Wo alles seinen ausgeklügelten Platz hat. Handclaps, rollende Drums, Chöre, ZZ-Top- und Led-Zeppelin-Gitarrenriffs, Boogie und Glamrock, Refrains aus hartem Zucker, Delta Blues und Heavy Soul, der Schweiß der Nacht, der sowieso. Vielleicht muss man es so sehen: Die Zeit der Garage ist immer noch nicht ganz vorbei – sie hat viele neue Freunde bekommen und musste sich entsprechend vergrößern.

Das Lächeln, das diese Freunde gemeinsam lächeln, nein, es ist nicht falsch: Pop lächelt nun mal so, lächelt sich nach oben, bloß nicht zu weit nach draußen, lieber die Karriereleiter hoch. Hopp-Hopp. Er kann nicht anders. Ach, verdammter Minibus! Erfolg ist ein großzügig geschnittenes Hotelzimmer mit schickem Ausblick. Und wie man sich bettet, so liegt man.

■ Fr, 27. 1., 20 Uhr, Alsterdorfer Sporthalle, Krochmannstraße 55