Editorial

„Wie der Osten den Westen verändert hat? Die Frage habe ich mir ja noch nie gestellt“, sagte Bärbel Bohley, als wir sie um einen Beitrag zu dieser sonntaz baten. Erstaunlich, dass nicht einmal jene Frau, die in der DDR vor zwanzig Jahren die friedliche Revolution mitgetragen hat, sich fragt, ob ihr Handeln auch bei den Westlern etwas verändert hat. Bohley machte mit. Dass sie sich wunderte, schien uns ein gutes Zeichen dafür, dass die Idee, eine ganze sonntaz zum Ost-West-Labor zu machen, funktionieren kann. So haben wir uns Konstellationen ausgesucht, wo Osten und Westen aufeinandertreffen: ob im Bundestag, wo sich die Linksfraktion zusammenrauft; ob im Fußball, wo der Ostler Hans Meyer Westprofis trainiert hat; oder in Berlin, wo Arwed Messmer, der Fotograf aus Baden, seinen künstlerischen Blick findet. Unsere Frage war dabei stets: Was kam aus dem Osten? Wie haben die 16 Millionen Ostdeutschen die 64 Millionen gelernten BRD-Bürger beeinflusst? Es kam kein allgemeingültiges Ergebnis heraus. Natürlich nicht, denn mit dem Osten und dem Westen ist es meist eine sehr persönliche Sache. Ein Ingenieur hat den Kühlschrank revolutioniert, die Chefin des Ost-Sandmanns sagt, sie habe den Westkindern fünf Minuten Ruhe verschafft. Die Schriftstellerin und ehemalige Leistungssportlerin Ines Geipel sagt: Ich habe schlicht gar nichts verändert.Die Vielfalt hat uns nicht gestört. Wenn man die Perspektive wechselt, muss man auch ein Nein akzeptieren.Kurz vor Redaktionsschluss schickte uns Heinz Florian Oertel ein Fax, die Sportreporterlegende der DDR. Auch ihn hatten wir gefragt. Aus seiner Antwort ging hervor, dass er unsere Frage für Schwachsinn hält (siehe Seite 35).

„Okay?“, fragte er abschließend. „Sicherlich nicht.“ Doch, doch, Herr Oertel. Schon okay. ANJA MAIER, GEORG LÖWISCH