Ostexport 4: Sprache

VON BERND PICKERT

Es war offensichtlich: Die Sprache trennte uns. Ost- und Westdeutsche verstanden sich irgendwie, aber sie benutzten ganz unterschiedliche Wörter. Die Sprache hat sich weiterentwickelt, längst auch gesamtdeutsch, und auch hier hat der Westen gesiegt, im Großen und Ganzen. Aber ein paar Wörter sind geblieben, und einige sind sogar richtig im Westen angekommen. Bei manchen fällt es kaum auf. „Fakt ist…“ zum Beispiel war beliebtes Funktionärsdeutsch in Partei und Massenorganisationen – heute gehört der stilistisch erbärmliche Satzanfang zum gesamtdeutschen Sprachgebrauch. Die westliche „Ein-Zimmer-Wohnung“ ist mancherorts durch die „Ein-Raum-Wohnung“ realsozialistischen Zuschnitts verdrängt worden. Der Kampf zwischen dem BRD-„Kulturbeutel“, dem französisch-stämmigen „Necessaire“ und der rustikal-ehrlichen ostdeutschen „Waschtasche“ scheint noch unentschieden.

Das „Winkelement“, also jene bei DDR-Massenaufläufen zu wedelnden Fähnchen und Wimpelchen, hat im gesamtdeutschen Sprachgebrauch als ironisierendes Zitat überlebt – aber immerhin, es ist noch da. Und das Wochenende wird inzwischen auch in der alten Bundesrepublik ganz gern in der „Datsche“ verbracht und nicht mehr zwingend im Klein- oder Schrebergarten.

Verschwunden sind freilich jene Ausdrücke der Jugendsprache, die seinerzeit typisch für DDR-Sprech waren – „urst“ zum Beispiel als Bekräftigungsform beliebiger Adjektive ist längst durch das neuere „voll“ oder „übelst“ ersetzt, ganz gesamtdeutsch. Auch „einwandfrei“ als Ausdruck großer Begeisterung ist verschwunden, in West und Ost gleichermaßen durch „geil“ ersetzt.

In Berlin allerdings ist mit dem Mauerfall noch ein ausgesprochen sympathisches Phänomen dazugekommen: Dialekt sprechende Mittelschicht und Intellektuelle. Das gab’s im Westen einfach nicht. Vom Osten lernen, heißt berlinern lernen.

Bernd Pickert ist sonntaz-Redakteur. Geboren 1965 in Westberlin, lebt er heute in Ostberlin