Hessenwahl: Überlebenskampf mit Kochlöffel

Hessens Ministerpräsident Roland Koch serviert seinen Landeskindern Marmeladenbrote und Nudelpfannen. Doch am meisten freut er sich, wenn Störer kommen.

Sich zu wörtlich genommen: Koch. Bild: dpa

Seine Leute schauen ungeduldig auf die Uhr, sie drängen ihn zum Aufbruch. Der Busfahrer hat den Motor angelassen, im nächsten Ort warten schon die nächsten Parteifreunde auf den hessischen Ministerpräsidenten. Doch Roland Koch steht immer noch am CDU-Stand auf dem Offenbacher Marktplatz und will weiterdiskutieren. "Eine Frage noch", sagt er. Und sie kommt wie gerufen. Ein angehender Lehrer möchte wissen, warum Koch Studiengebühren eingeführt habe, das sei total unsozial.

Unsozial? Davon könne keine Rede sein, sagt Koch. Hochschulabsolventen hätten viel bessere Chancen als alle anderen, einen Beruf zu finden, bei dem sie gut verdienen. Da könne man ja wohl verlangen, dass sie wenigstens einen kleinen Teil ihrer Ausbildungskosten selbst bezahlen. "Ist das wirklich ungerecht?", ruft Koch und herrscht den Fragesteller an: "Wenn Sie tatsächlich meinen, Sie werden als Lehrer ausgebeutet, dann sollten Sie vielleicht besser Ihr Berufsziel ändern!"

So. Dem hat er es gegeben. Die vorwiegend älteren Marktbesucher in der Arbeiterstadt Offenbach klatschen, Koch ist zufrieden und bereit zur Weiterfahrt, denn nun haben ihn die mitreisenden Journalisten endlich so erlebt, wie sie ihn erleben sollen: als Kämpfer, der eine klare Linie hat und niemals ausweicht. Koch sucht die Konfrontation. Er will sich unterscheiden von all den langweiligen Konsenspolitikern, die in der langweiligen großen Koalition in Berlin dauernd langweilige Kompromisse machen.

Koch hat ein anderes Image, und das pflegt er. Er braucht solche Duelle wie mit dem aufsässigen Lehramtsstudenten, damit er den Presseleuten hinterher im Bus einigermaßen glaubhaft versichern kann, dass ihm das alles Spaß macht: seine Aufgaben in der hessischen Landespolitik, sein Einsatz für Studiengebühren, für den ebenfalls umstrittenen Ausbau des Frankfurter Flughafens ("das bringt 40.000 Arbeitsplätze") und seine Sommerreise, die unter dem albernen Motto "Koch-Tour" steht.

Nein, das ist nicht nur ein Namenswitz: Koch kocht tatsächlich für seine Landeskinder. Morgens Marmelade in Offenbach, mittags Nudelpfanne in Schlüchtern, nachmittags Pfannkuchen in einem Landgasthof bei Fulda, abends Wildgulasch in einer Reithalle. Der Landesvater erscheint mit weißem Kochkittel statt im grauen Politikeranzug. So soll er irgendwie menschlicher rüberkommen, haben sich seine Berater wohl gedacht. Und Koch spielt mit. "Kochen ist ein Hobby von mir", sagt er überall. Selbst Abwaschen habe er "inzwischen auch gelernt". Ob es stimmt, weiß nur seine Frau. Sie steht lächelnd daneben. Koch rührt an jeder Station jeweils ein paar Minuten in Töpfen und Pfannen - dann hält er eine Rede und freut sich am meisten über Störer. "Wir kochen so viel, dass es auch für Sie reicht": So begrüßt er in Schlüchtern junge Demonstranten, die auf Plakaten fordern: "Koch, gib den Löffel ab". Einer hat im neudeutschen Schulhof-Slang geschrieben: "Koch, du Opfer".

Böse gemeint, aber für Koch nur willkommene Motivationshilfe. Viel Feind, viel Ehr - so hat er immer Politik betrieben und auch die CDU-Spendenaffäre ausgesessen. Seine Härte hat ihn zum Hoffnungsträger der Konservativen in der Union gemacht. Und zum bekanntesten Rivalen von Angela Merkel. Es ist erst ein knappes Jahr her, da hat ihn der Stern zum "Ersatzkanzler" ausgerufen. Damals war die Unzufriedenheit über die große Koalition noch groß und Koch wurde wieder einmal als möglicher Rebell hochgeschrieben. Doch inzwischen sind Merkels Umfragewerte in höchsten Höhen angekommen - und Koch kann sie nicht angreifen. Auch nicht versteckt. Er muss sich zusammenreißen. Kritik an der beliebten Kanzlerin kommt in der Union schlecht an. Also spricht Koch so gut wie gar nicht über die Berliner Politik - und stürzt sich umso beherzter auf Kritiker im eigenen Land.

Bei der Landtagswahl im Januar kann er wenig gewinnen. Selbst wenn er seine absolute Mehrheit verteidigt, wonach es nicht aussieht - Merkel bliebe in Berlin unangefochten. Wenn Koch Hessen verliert, wie es Umfragen voraussagen, wäre seine Karriere beendet. Deshalb wirkt sein Einsatz glaubwürdig: Er kämpft ums Überleben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.