Widerstand im Dilemma: Krieg oder Krise?

Linke Gruppen bereiten sich auf Proteste gegen den Nato-Gipfel Anfang April in Straßburg vor. Doch die weltweite Finanzkrise funkt dazwischen: Zeitnah findet der G-20-Gipfel in London statt. Das überfordert die ProtestiererInnen

BERLIN taz ■ Die Finanzkrise trifft nicht nur die Globalwirtschaft mit voller Wucht. Auch die sozialen Bewegungen sind betroffen. Mehrere Dutzend linke Gruppen und Initiativen aus Deutschland und Frankreich wollen eigentlich gegen die Jubiläumsfeier der Nato anlässlich ihres 60. Geburtstags am 3. und 4. April in Straßburg und Baden-Baden protestieren. Die Vorbereitungen für Demos und Blockaden laufen bereits auf Hochtouren. Doch nun funkt die Finanzkrise dazwischen. Denn ein Tag zuvor, am 2. April, findet der Weltfinanzgipfel der G-20-Staaten in London statt.

„Die Finanzkrise und ihre Auswirkungen sind unser inhaltlicher Schwerpunkt“, sagt Sabine Leidig, Geschäftsführerin von Attac. Auf den G-20-Gipfel müsse klar reagiert werden. Das sieht nicht nur das globalisierungskritische Netzwerk Attac so. Vor allem Gruppen aus Gewerkschaftskreisen messen dem Treffen in London ein hohes Gewicht bei. In Großbritannien wird bereits europaweit mobilisiert.

In Deutschland stehen die sozialen Bewegungen nun vor dem Dilemma: Nato oder G 20? Krieg oder Krise? Die Gewerkschaften haben sich entschieden und planen Demonstrationen in Frankfurt am Main und Berlin am 28. März, dem Samstag vor dem G-20-Gipfel. Antimilitaristische Gruppen vor allem aus dem süddeutschen Raum hingegen halten an ihrem Protestwochenende am 3. und 4. April in Straßburg und Baden-Baden fest.

Attac plädiert offiziell für beides: Krieg und Krise seien im Kapitalismus schon immer „enge Verwandte“ gewesen, heißt es in einem Aufruf des globalisierungskritischen Netzwerks. Und: „Im modernen finanzmarktgetriebenen Kapitalismus“ hätten die weltweiten Ausbeutungsverhältnisse derart gewaltsame Formen angenommen, dass sie mit militärischen Mitteln gestützt werden müssten. Diese Aufgabe übernehme die Nato. Deswegen seien Straßburg und London eng miteinander verwoben. Attac schlägt vor, am 28. März europaweit „aktiv für eine andere Weltwirtschaftsordnung“ zu demonstrieren, am 2. April in London vor den Toren des G-20-Gipfels zu stehen und am 3. und 4. April gegen die Kriegsstrategien der Nato zu protestieren.

„Schwierig“ findet dies das Anti-Nato-Bündnis. Dessen VertreterInnen rufen zwar dazu auf, die Finanzkrise aufzugreifen – aber in Straßburg. „Dieselben Personen, die beim Gipfel in London das Sagen haben, werden sich einen Tag später in Straßburg feiern“, sagt Gerd Hilger von der Gruppe Résistance des deux rives (Widerstand der zwei Ufer). Da sei es doch sinnvoll, den Protest zu bündeln.

Sabine Leidig von Attac sieht auch nicht wirklich ein Problem. „Die Vermutung ist, dass es zwei Ereignisse mit völlig unterschiedlichen Spektren sind.“ Und die AktivistInnen, die beides für wichtig halten, würden es schon zu beiden Anlässen schaffen. FELIX LEE