„Nicht persönlich gemeint“

Mit einem Spaten überfiel Kevin S. schlafende linke Camper. Am Montag fällt das Urteil. S. gibt Alkohol die Schuld

KASSEL taz ■ Vor dem Landgericht Kassel soll am heutigen Montag das Urteil gegen den mutmaßlichen Neonazi Kevin S. (19) fallen. Er hatte gestanden, mit einem Klappspaten und einer Bierflasche auf ein schlafendes Geschwisterpaar eingeschlagen zu haben. Das 13-jährige Mädchen und ihr 10 Jahre älterer Stiefbruder waren Teilnehmer eines Zeltlagers der Linksjugend „Solid“ in Nordhessen. Das Mädchen erlitt bei der Tat schwere Kopfverletzungen und kam nur knapp an einer Notoperation vorbei.

Kevin S., der seit dem Vorfall im Juli 2008 in Untersuchungshaft sitzt, wird der rechtsextremen Kameradschaft „Freie Kräfte Schwalm-Eder“ zugerechnet. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, was nicht nur in linken Kreisen für Unverständnis sorgte. Das Amtsgericht Fritzlar sah denn auch hinreichenden Tatverdacht für versuchten Mord und gab den Fall ans Landgericht ab. Halten die Richter diesen Tatbestand für erfüllt, könnten sie bis zu zehn Jahre Jugendstrafe verhängen.

Dann aber müssten sie weit über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß von zwei Jahren und drei Monaten Haft hinausgehen. Die Anklagebehörde war nach vier Verhandlungstagen davon überzeugt, dass Kevin S. nur wegen gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen sei, weil es „keinen Tötungsvorsatz“ gegeben habe.

Kevin S. hatte vor Gericht den Überfall als ungeplante Tat im Alkoholrausch dargestellt. Nach durchzechter Nacht auf einer Kirmes sei er gemeinsam mit einer Hand voll junger Männer zu dem Zeltplatz gefahren. Während seine Begleiter die Autos der linken Camper demolierten, schlich Kevin S. sich zu den Zelten, wo er die schlafenden Opfer überfiel. „Nüchtern hätte ich das nicht gemacht“, betonte S. Denn er sei „in der Regel gegen Gewalt“.

Politische Motive wies Kevin S. von sich. „Rein ideologisch hatte ich nichts gegen die Leute“, sagte er. Warum er dann am Tag vor der Tat eine linke Demonstration in Schwalmstadt habe stören wollen? „Um Spaß zu haben“, antwortete Kevin S.

Verteidiger Dirk Waldschmidt, auch stellvertretender NPD-Landesvorsitzender, sah in der Tat lediglich ein Vergehen. Er stellte keinen Strafantrag, sondern forderte „geeignete Zuchtmittel“ für seinen Mandanten. Der 19-Jährige selbst hofft auf eine Bewährungsstrafe. Bei seinen Opfern entschuldigte er sich mit den Worten: „Es war nichts Persönliches.“ GABRIELE SÜMER