Protest gegen Nato-Gipfel: Kommt da noch was?

In knapp drei Monaten feiert ein Gipfel das 60-jährige Bestehen des Militärbündnisses. Initiativen, die Protest planen, haben es schwer: Es fehlen Symbole wie der Heiligendamm-Zaun, der Gipfel tagt in Deutschland und Frankreich

STUTTGART taz ■ Schleppend laufe die Zusammenarbeit mit den Behörden, sagt Maximilian Schneider, Sprecher des Anti-Nato-Bündnisses Baden-Baden. Diese Aussage ist symptomatisch. In knapp drei Monaten beginnt der Nato-Gipfel zum 60-jährigen Bestehen des Militärbündnisses, er könnte ein ähnlich starker Magnet für Proteste der sozialen Bewegungen werden wie der G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007.

Doch der Protest dagegen kommt nur langsam in Gang. Das liegt auch an den Umständen. Der Gipfel finde in Baden-Baden und Straßburg statt, es gibt kein Symbol wie den Schutzzaun in Heiligendamm. Entsprechend lässt sich ein gebündelter, einheitlicher Protest deutlich schwerer organisieren.

So steht das Bündnis in Baden-Baden eben nur für die Aktionen dort. Es organisiert Infostände, Kundgebungen und Ähnliches. Den Protest in Kehl und Straßburg – zwei Städten östlich und westlich des Rheins – organisiert die Gruppe „Résistance des deux rives“, zu Deutsch: der Widerstand der zwei Ufer. „Einen wahnsinnigen logistischen Aufwand“, nennt man dort die Organisation von Camps und Protest, zumal die deutsch-französische Grenze den Protest teilen könnte.

Deshalb sollen Camps für mehrere tausend DemonstrantInnen nahe an der Grenze in Kehl bereitgestellt werden, doch Verhandlungen vergangene Woche mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe scheiterten. Die Lärmbelästigung für die Bevölkerung bei Camps in der Stadt sei zu groß, teilte des Regierungspräsidium nach Auskunft der Camp-Organisatoren mit. „Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun. Für die Nato rollt man den roten Teppich aus – und die GipfelgegnerInnen verbannt man in die Pampa“, schimpfte Anne Goergens von Résistance des deux rives.

Ein Sprecher des Regierungspräsidiums zeigte sich irritiert über die Reaktion: Man habe vereinbart, dass die Camp-Betreiber das Angebot zunächst prüfen, auch einen möglichen Shuttle-Service mit Bussen. Stattdessen hätten die Betreiber das Angebot noch am selben Tag abgelehnt.

Nur ein Beispiel, wie wenig Verständnis zwischen Behörden und Protestbewegung bisher besteht. Vor allem gibt es keine Gespräche, ob und wie man gemeinsam gewaltsamen Protesten vorbeugen kann. In Heiligendamm gab es dazu Gespräche zwischen Behörden und dem damals wesentlich breiteren und einheitlicheren Protest-Bündnis.

Die Folge ist Unverständnis auf beiden Seiten: „Die Camps dürfen kein Rückzugsort für Gewalttäter sein“, sagte Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU). Camps und Protestaktionen sollen nur gegen Auflagen genehmigt werden. Zudem gibt es mit 14.000 Polizisten den größten Polizeieinsatz in der Geschichte des Bundeslandes – erstmals werden Beamte aus anderen Ländern angefordert. „Es es weder clever noch intelligent, wenn ein nachvollziehbarer Protest Straftätern einen Rückzugsraum bietet“, sagt der Vizelandesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rüdiger Seidenspinner.

Die Organisatoren des Protests fürchten bei solchen Ankündigungen massive Polizeikontrollen und traumatisierte AktivistInnen. Sie sprechen von einer Hysterisierung durch Innenminister Rech. Direkte Gespräche zwischen beiden Seiten zu dem Thema – bisher Fehlanzeige. INGO ARZT