Mann läuft in Landshuter Landgericht Amok

Ein 60-Jähriger erschießt seine Schwägerin und sich selbst. Die Tat heizt die Debatte um ein schärferes Waffenrecht an

Der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech hat seine Informationspolitik im Zusammenhang mit dem Amoklauf von Winnenden verteidigt. „Gründlichkeit kommt vor Schnelligkeit“, sagte der CDU-Politiker. Am Wochenende war bekannt geworden, dass sich das Ende des Amoklaufs in Wendlingen in einem wesentlichen Punkt anders abgespielt hatte als bisher angenommen: Demnach hatte ein Polizist den Täter Tim K. bereits angeschossen, ehe dieser in das Autohaus in Wendlingen laufen und zwei Männer erschießen konnte. Am Mittwoch will Rech weitere Details bekannt geben. AP

MÜNCHEN taz ■ Als am Mittag langsam klar wird, was bei der Schießerei im Landshuter Landgericht wirklich passiert ist, überbieten sich die Nachrichtenagenturen und Fernsehsender schon seit Stunden mit Eilmeldungen. „Amoklauf im Landgericht“, tickert die Deutsche Presseagentur. Ein „Blutbad“ meldet AFP. N24 zeigt martialische Bilder von Polizisten mit Maschinengewehren. In Berlin tritt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer mit betroffenem Blick vor die Kameras und sagt: „Das ist wiederum eine unbegreifbare Tat.“ Mit „wiederum“ meint Seehofer den schrecklichen Amoklauf von Winnenden. Doch der hat mit den Ereignissen in Landshut kaum etwas gemeinsam.

Besonnen bleibt an diesem Dienstag nur die Landshuter Polizei. Die sagt lange Zeit nichts und verkündet dann am Nachmittag auf einer Pressekonferenz: Es war ein Mord in der Familie. Man stritt sich um das Erbe.

Ein 60-jähriger Mann, gelernter Koch, verheiratet, geht am Dienstagvormittag zu einem Zivilprozess am Landgericht in Landshut. Bei sich trägt er einen Revolver, Marke Smith & Wesson. Eine Kontrolle auf Waffen gibt es am Eingang zum Gerichtsgebäude nicht. Bei Zivilprozessen ist das dort nicht üblich.

Schon seit langem streitet sich die Familie des Mannes – seine Frau und ihre sechs Geschwister – vor Gericht um ein Erbe. An diesem Tag sitzt der Mann mit der Waffe auf der Seite der Beklagten. Gegen 10.15 Uhr gibt es eine kleine Verhandlungspause. Der Mann geht auf den Gang vor den Sitzungsaal, zückt seine Pistole und erschießt seine 48-jährige Schwägerin. Weitere Schüsse fallen. Ein Rechtsanwalt und eine Frau werden verletzt, jedoch nicht lebensgefährlich. Zeugen alarmieren die Polizei. Das Gebäude wird evakuiert. Währenddessen geht der Täter in einen Sitzungssaal und erschießt sich selbst. Als die Polizei eintrifft, ist der Täter bereits tot. Die Beamten geben keinen einzigen Schuss ab. Warum der Mann den Mord beging, ist derzeit noch unklar. Der Erbstreit unter den insgesamt sieben Geschwistern laufe schon seit langem, sagten die Ermittler. Die Verhandlung am Dienstag sei bis zur Pause völlig friedlich verlaufen.

„Es scheint nicht ein typischer Amoklauf gewesen zu sein“, meinte der Minister in der Bayerischen Staatskanzlei, Siegfried Schneider, als er am Nachmittag nach Landshut kam. Die Landesregierung werde auf die Tat reagieren. „Wir werden die Sicherheitsvorkehrungen auf den Prüfstand stellen“, sagte Schneider. So müsse man über den verstärkten Einsatz von Sicherheitsschleusen und Metalldetektoren an Gerichtsgebäuden nachdenken.

Bayerns Ministerpräsident Seehofer versprach derweil, schon nach Ostern die Besitzer von legalen Schusswaffen strenger zu kontrollieren. „Mir erscheint nach allen Informationen, die wir in den letzten Wochen gesammelt haben, die Kontrolle des Waffenrechts als ein Schwachpunkt“, sagte er. Nach Angaben der Polizei besaß der Schütze von Landshut drei Schusswaffen. Die Erlaubnis dazu hatten ihm die Behörden schon 1974 erteilt.

BERNHARD HÜBNER