Verschwundener Syrer sitzt im Gefängnis

RÜCKNAHMEABKOMMEN Zweimal innerhalb von fünf Wochen enden Abschiebungen nach Syrien dort im Knast. Nun stoppte ein Gericht eine weitere Rückführung, die Bundesregierung will „sich kümmern“

BERLIN taz | Der 31-jährige Kurde Khalid Kenjo sitzt laut Amnesty International nach seiner Abschiebung in Syrien im Gefängnis. Die Menschenrechtsorganisation hatte für ihn eine „Urgent Action“-Kampagne gestartet. Kenjo war Anfang September vom syrischen Geheimdienst vorgeladen worden und dann verschwunden. Amnesty befürchtete, dass ihm Folter droht. Am 1. September hatte die Bundespolizei Kenjo nach Damaskus abgeschoben, letzten Donnerstag konnte er erstmals mit einem Anwalt sprechen. Ob er gefoltert wurde, ist unklar. Kenjo wird die „Verbreitung falscher Informationen“ über Syrien vorgeworfen.

Es war in fünf Wochen das zweite Mal, das nach Syrien abgeschobene Flüchtlinge im Gefängnis landen. Im August war die schwangere Yesidin Abta Houran nach ihrer Abschiebung aus Niedersachsen am Flughafen in Damaskus verhaftet worden. Kurden und Yesiden werden in Syrien verfolgt, das Auswärtige Amt nennt die Menschenrechtslage dort „unbefriedigend“.

Trotzdem war im Januar ein Rückübernahmeabkommen in Kraft getreten. Dieses erlaubt Deutschland auch die Rückführung von Staatenlosen, die sich vermutlich in Syrien aufgehalten haben. Ausländerbehörden haben kürzlich begonnen, die ersten von insgesamt 7.000 Geduldeten nach Syrien abzuschieben. Am Mittwoch stoppte das Verwaltungsgericht Osnabrück jedoch mit Verweis auf den Fall Houran eine Rückführung. Das Gericht stellte fest, dass „unter Beweisantritt dargelegt“ wurde, das Abgeschobenen „körperliche Misshandlung und erniedrigende Haftbedingungen“ drohen.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker forderte deshalb die Aussetzung des Abkommens. Ihr Vorsitzender Tilman Zülch sagte, Schäuble müsse sich für Kenjos Freilassung einsetzen. In einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion hat die Bundesregierung angekündigt, sich um den Fall „kümmern“ zu wollen.

2004 waren zwei Zwillingsbrüder Kenjos nach einer Demo festgenommen und gefoltert worden. Ahmed Kenjo starb kurz darauf an den Folterfolgen, Hussein Kenjo blieb über 16 Monate in Haft. CHRISTIAN JAKOB