Dutschke-Attentäter hatte Kontakt zu Neonazis

STUDENTENBEWEGUNG Trotz mehrerer Hinweise deckten damalige Ermittler die Zusammenhänge nicht auf

Ziel der Ermittler sei gewesen, „die rechtsextreme Motivation zu individualisieren“

BERLIN dpa/taz | Berliner Polizeiprotokolle und bisher unbekannte Stasiakten geben neue Informationen über den Dutschke-Attentäter Josef Bachmann. Demnach unterhielt Bachmann enge Beziehungen zu einer rechtsradikalen Gruppe, die später als „Braunschweiger Gruppe“ durch Sprengstoffanschläge bekannt wurde. Das berichtet der Spiegel. Trotz mehrerer Hinweise in den Vernehmungen hätten die Ermittler damals diese Zusammenhänge nicht konsequent aufgedeckt.

Bisher galt der Hilfsarbeiter Bachmann, der den Studentenführer Rudi Dutschke 1968 niederschoss, als Einzelgänger. Der Attentäter nahm sich 1970 in der Haft das Leben. Bei seiner Festnahme hatte er einen Artikel über Dutschke aus der rechtsextremen Deutschen National-Zeitung bei sich gehabt.

Laut Spiegel verkehrte Bachmann in seinem zeitweiligen Wohnort Peine unter anderen mit dem früheren NPD-Mann Wolfgang Sachse, der mit ihm das Schießen geübt und ihm Schusswaffen und Munition verkauft habe. Mit seinen Gesinnungsgenossen habe Bachmann zuvor Anschläge auf die innerdeutsche Grenze verübt und dabei auch auf DDR-Grenzer geschossen. Sogar ein Attentat auf den damaligen DDR- Staats- und Parteichef Walter Ulbricht habe er geplant.

Auch der Dutschke-Biographen Ulrich Chaussy ist bei seinen Recherchen für ein Radiofeature auf diese neuen Informationen gestoßen. Sie würden, sagte Chaussy der taz, zwar nicht die grundsätzliche Bewertung des Attentats in Frage stellen, aber durchaus Fragen aufwerfen: „Warum zum Beispiel wurde Sachse weder befragt noch vorgeladen? Er hätte überprüft werden müssen als einer, der als Waffenlieferant in Frage kommt.“ Ziel der Ermittler aber sei es gewesen, „die rechtsextreme Motivation zu individualisieren“.

Bachmanns Leben war im vergangenen Sommer wieder zum Diskussionsthema geworden, als der Westberliner Kriminalbeamte Karl-Heinz Kurras als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der DDR-Staatssicherheit entlarvt wurde. Kurras hatte 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschossen. Kurras’ ungeahnte Vergangenheit warf die Frage auf, ob auch Bachmann im Dienst der Stasi gestanden haben könnte. Laut der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gibt es aber keine IM-Akte über Bachmann.

Stasi-Minister Erich Mielke aber ließ nach den Schüssen auf Dutschke Material über Bachmann sammeln. Einiges davon hat die Stasi-Unterlagenbehörde schon vor Jahren in Kopien zu Forschungszwecken herausgegeben. SAM

■ Das Radiofeature von Ulrich Chaussy und Tobias von Heymann „Wer zielte auf Rudi Dutschke?“ läuft am Samstag, den 12. 12., um 13.05 Uhr auf Bayern II.