Opfervereinigung kritisiert Jesuiten: "Es soll ja wehtun!"

Die Opfervereinigung "Eckiger Tisch" kritisiert: die Jesuiten reagierten zu zögerlich auf die Missbrauchsfälle und würden sich vor einer finanziellen Entschädigung drücken.

Missbrauch, Schläge und dann Schweigen: Erziehung bei den Jesuiten. Bild: dpa

BERLIN taz | Pater Anton bat die Jugendlichen zu Einzelgesprächen, bedrängte sie körperlich, stellte ihnen intime Fragen - und forderte einige dazu auf, vor ihm zu onanieren. Pater Bertram bestrafte gern. Nicht selten gab es Schläge auf den nackten Hintern, auch mit Peitschen, manchmal cremte er danach das Gesäß ein oder streichelte es. Manche der jugendlichen Opfer erinnern sich daran, dass Pater Betram dabei "hörbar erregt war".

Der frühere Leiter der norddeutschen Provinz der Jesuiten, Pater Johannes G. Gerhartz, aber meint in einem öffentlichen Brief zu dem Skandal: "Man wird Verantwortliche, die sich vor 30 bis 40 Jahren in puncto des Schweigens den Konstitutionen entsprechend verhalten haben, dafür heute nicht verurteilen können."

Missbrauch, Schläge, Schweigen - sechs Monate nach den ersten Veröffentlichungen über sexuellen Missbrauch in Schulen des Jesuitenordens trat die Opfervereinigung Eckiger Tisch erneut in Berlin an die Öffentlichkeit, um ihre Empörung über das nach wie vor zögerliche Verhalten des Ordens zu äußern. Der Sprecher der Gruppe, Matthias Katsch, sagte: "Wir sind ungeduldig und zornig" über die "Verzögerungstaktik des Ordens und der Kirche". Wer als Opfer eine Psychotherapie brauche, müsse weiterhin zum Arzt, um seine Beschädigungen zu schildern.

"Zynisch und unverfroren", so Kautsch, seien auch neueste Aussagen von Ordensoberen, weshalb man in puncto Entschädigungen auf den staatlichen runden Tisch warten solle, der Ende September wieder tagt. Der Sprecher des Jesuitenordens, Thomas Busch, hatte am Wochenende der Nachrichtenagentur dpa gesagt, man warte hier noch auf eine bundesweite Lösung: "Es kann nicht sein, dass ein Opfer eines Sportvereins mehr oder weniger bekommt als das Opfer einer kirchlichen Einrichtung", sagte Busch. Bundesweit haben etwa 200 Exjesuitenschüler erklärt, missbraucht worden zu sein.

Die frühere Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) kritisierte den Orden: Er habe "als pädagogische und moralische Instanz versagt", sagte die Katholikin, die im Namen des Ordens und der Opfer ein Gutachten zu dem Skandal vorgelegt hat. Auch die Jesuitenzentrale in Rom habe sich in der Vergangenheit schuldig gemacht. Die Versetzung auffällig gewordener Patres bedeute eine "Verharmlosung" ihrer Taten. Sie sehe allerdings bei den jetzigen Ordensoberen "keine aktive Verzögerungsstrategie". Fischer empfahl dem Orden jedoch, auch bei der Frage der Entschädigungen wie schon zuvor bei der Aufklärung der Fälle "vorwegzugehen".

Katsch forderte im Namen der Opfer auch finanziell ein "zügiges und signifikantes Zeichen der Reue" - wollte aber konkrete Zahlen nicht nennen. Eine Zahlung vor einer staatlichen Entschädigung, sagte sein Leidensgenosse Thomas Weiner vom Eckigen Tisch, könne helfen, die "psychische Anspannung" der Opfer zu mildern. Es müsse darum gehen, dass der Orden direkt zahle und nicht die Allgemeinheit, ergänzte Katsch, denn sonst "verschwimmt die Verantwortung". Mit Blick auf den Orden sagte er: "Verdammt noch mal, es soll ihnen ja auch wehtun."

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