Schulpreis-Jury wird neu besetzt

MISSBRAUCHSSKANDAL Umstrittene Ex-Schulleiterin aus Wiesbaden tritt zurück. Stiftung klärt die Nachfolge

Den renommierten Preis hat zuletzt Kanzlerin Merkel verliehen

AUS BAD BOLL CHRISTIAN FÜLLER

Der deutsche Schulpreis gerät in den Sog des Missbrauchsskandals: Am Mittwoch hat das langjährige Mitglied der Jury, Enja Riegel, ihren Rückzug erklärt. Riegel war wegen Kinderpornos an ihrer ehemaligen Schule in Wiesbaden schwer angegriffen worden (siehe taz vom 13. 12.).

Der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Erich Thies, und der renommierte Pisa-Forscher Manfred Prenzel hatten zuvor erklärt, mit Riegel würden sie nicht weiter gute Schulen auswählen. Damit ist der renommierte deutsche Schulpreis angeschlagen. Die Bosch-Stiftung vergibt mit ihm jährlich 100.000 Euro an die beste deutsche Schule, im Sommer hatte ihn zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel verliehen. Das ZDF und das Magazin Stern sind Medienpartner. Die Ehrung hat zum Beispiel herausragende Schulen wie die Grundschule Kleine Kielstraße in Dortmund oder die Sophie-Scholl-Schule in Hindelang sichtbar gemacht.

In der Jury sitzen reihenweise Freunde und Bekannte des ehemaligen Leiters der Odenwaldschule, Gerold Becker. Der galt als glühender Reformpädagoge – und hat dennoch Dutzende Jungen sexuell missbraucht. Zu einer unzweideutigen Distanzierung von Becker können sich bis heute nur wenige seiner alten Kämpen durchringen. Becker starb im Juli.

Aus der Jury des Schulpreises ist bereits Wolfgang Harder ausgeschieden, Nachfolger Beckers an der Odenwaldschule. Nun hat Enja Riegel die Jury verlassen, die Becker inzwischen als Triebtäter bezeichnet. In der Jury sitzt nach wie vor Otto Seydel, ebenfalls ein enger Weggefährte Gerold Beckers. Und es scheint nur eine Frage der Zeit, dass auch Erika Risse unter Druck gerät.

Keine Konsequenzen

Risse ist die Vorsitzende der Vereinigung der Landerziehungsheime, wo es eine ganze Reihe von Missbrauchsfällen gab. Die Heime tun sich schwer, Konsequenzen aus dem „System Becker“ zu ziehen. Sie verweigern jede Auskunft, ob das Prinzip der Internatsfamilie bestehen bleibt, das an ihrem Flaggschiff Odenwaldschule zur Katastrophe geführt hatte.

Wie die Szene tickt, zeigte sich am Montag auf einer Tagung über „Reformpädagogik und Demokratie“ in Bad Boll. Dort ließ Ulrich Herrmann eine gewissen Gustav Wyneken als superdemokratischen Schulreformer hochleben. Was Herrmann nicht erwähnte: Wyneken war ein unverbesserlicher und verurteilter Päderast, der sogenannte Kameradschaften von Schülern zum Ort des pädagogischen Eros erklärte. Dennoch widersprach niemand der eigenartigen Interpretation.

Die Bosch-Stiftung erklärte am Mittwoch, dass sie neue Jury-Mitglieder gewonnen hat. Außerdem werde die Stiftung des Thema „sexueller Missbrauch“ im kommenden Jahr zu einem der Schwerpunkte ihrer Arbeit machen, hieß es.