Organentnahme ohne Erlaubnis

JUSTIZ Monatelang entnehmen zwei osteuropäische Ärzte deutschlandweit Spenderorgane. Doch die nötige Approbation besitzen sie nicht. Nach einer taz-Recherche ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft

BERLIN taz | Mindestens neun Monate lang haben zwei an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) beschäftigte osteuropäische Ärzte in verschiedenen deutschen Krankenhäusern Organe von hirntoten Spendern entnommen, obwohl ihnen hierfür die Berufserlaubnis fehlte.

Der Fall, der durch Recherchen der taz im April 2012 öffentlich geworden war, hat nun juristische Folgen: Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt „gegen drei Verantwortliche, die den beiden Ärzten die entsprechenden Weisungen gegeben haben sollen oder gegeben haben könnten“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz.

Ermittelt werde wegen Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz; im Fall einer Verurteilung drohten Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr. Ob es sich bei den potenziell Weisungsberechtigten ausschließlich um Mitarbeiter der MHH handelte, ließ der Sprecher offen. Die Ermittlungen gegen die beiden Ärzte selbst – ebenfalls wegen Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz – seien dagegen im April 2013 gegen Zahlung eines Geldbetrags eingestellt worden; die beiden Ärzte gelten damit als nicht vorbestraft.

Die Ärzte aus Osteuropa hätten niemandem geschadet, es handele sich um einen „Formalverstoß“, so der Sprecher. Nun müsse allerdings geklärt werden, wer den Ärzten die Weisung zu den Organentnahmen erteilt habe. Nach Angaben des Niedersächsischen Zweckverbands zur Approbationserteilung war die Berufserlaubnis der Ärzte von Juni 2011 bis März 2012 auf die MHH örtlich beschränkt; dort waren sie tätig an der Klinik für Transplantationschirurgie. Für eine deutschland- oder europaweite Tätigkeit fehlte ihnen vor März 2012 die Approbation.

Die Ärzte sollten Hirntoten am Ort ihres Versterbens Organe entnehmen, die dann nach Hannover transportiert und dort Patienten transplantiert wurden. Hätten sie diese Tätigkeit nur in Hannover ausgeübt, hätten sie sich korrekt verhalten.

Was als Haarspalterei gewertet werden könnte, wird vor dem Hintergrund des Transplantationsskandals sowohl unter Politikern als auch Juristen als hochsensible Angelegenheit gehandelt. Es müsse, so wird Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nicht müde zu wiederholen, peinlichst darauf geachtet werden, dass im Organspende- und Transplantationswesen alles mit rechten Dingen zugehe.

Vergütet werden die Organentnahmen von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Deren ehemaliger Vorstand hatte den DSO-intern umstrittenen Einsatz der Chirurgen mehrfach verteidigt und laut eines Sitzungsprotokolls von November 2011 schriftlich versichert, der Vorstand übernehme „für diese Vorgehensweise die Verantwortung“. HEIKE HAARHOFF