Schöne Grüße aus der Kolonialzeit

DEUTSCHE BAHN In Schwäbisch Gmünd sollten Asylbewerber für 1,05 Euro Stundenlohn Kofferkuli spielen. Nach Protesten beendet die Bahn das Projekt

STUTTGART taz | Nach Protesten ist die Deutsche Bahn aus einem Projekt der Stadt Schwäbisch Gmünd ausgestiegen, bei dem Asylbewerber Reisenden beim Koffertragen helfen sollten. Dafür sollten sie 1,05 Euro pro Stunde bekommen. „Arbeitsverhältnisse zu diesen Konditionen kann die Bahn nicht unterstützen“, sagte ein Sprecher. Die „konkreten Beschäftigungsbedingungen“ seien dem Unternehmen erst am Mittwoch bekannt geworden.

Die Bahn will nun im Gmünder Bahnhof selbst Mitarbeiter einsetzen, die den Fahrgästen beim Gepäcktransport über eine Treppenbrücke Hilfe anbieten sollen. Diese würden nach den Tarifen der Bahn bezahlt. Von welchen Konditionen die Bahn ausgegangen war und um welche Art von Beschäftigungsverhältnis es sich genau gehandelt hat, beantwortete das Unternehmen auf Anfrage nicht.

Das Projekt hatte heftige Kritik ausgelöst. Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke sagte, vor dem Hintergrund der laufenden bundesweiten Flüchtlingsproteste sei das Vorgehen in Schwäbisch Gmünd „ein weiterer Schritt zurück in die Kolonialzeit“. In der Stadt sind rund 250 Asylbewerber untergebracht. Ein Teil von von ihnen hat sich in der Vergangenheit wiederholt an den bundesweiten Protesten beteiligt. Das Bild der koffertragenden Schwarzen sei „natürlich ein Ausdruck weißer Dominanz“, sagt Rex Osa vom Flüchtlingsnetzwerk The Voice Refugee Forum in Tübingen.

Eine reguläre Arbeit aufzunehmen ist Asylsuchenden in der Regel verboten. Kommunen können sie jedoch zu gemeinnütziger Arbeit heranziehen. Die Einkünfte werden nicht auf die Sozialleistungen angerechnet, wer eine Arbeit ablehnt, dem können die Leistungen gestrichen werden. Nach Angaben der Stadt sollen sich im aktuellen Fall die Flüchtlinge jedoch freiwillig gemeldet haben.

Die Idee für die Aktion hatte Bürgermeister Richard Arnold (CDU). „Ich bin enttäuscht und auch traurig für die Menschen, denn es handelt sich um hoch motivierte junge Leute“, sagte er.

Der Frankfurter Jurist Martin Schafhausen, beim Deutschen Anwaltsverein zuständig für Sozialrecht, hält das Projekt für rechtswidrig: „Das Gesetz hat nur öffentliche Arbeitgeber im Auge“, sagt Schafhausen – und damit nicht die Deutsche Bahn. „Der Versuch, die öffentliche Hand stellvertretend für ein privates Unternehmen die Jobs einrichten zu lassen, ist eine Umgehung der Gesetzeslage.“

Es sei „sehr problematisch“, dass die Flüchtlinge die Arbeit nicht in einer gemeinnützigen Einrichtung ableisten sollten, sagt auch Andreas Lindner vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Das Problem sei aber weniger die Kofferträger-Initiative als „die Gesamtsituation“: Noch immer zahlen in dem grün-regierten Bundesland nur 15 von 44 Landkreisen den Flüchtlingen ihre Sozialleistungen als Bargeld aus. In den übrigen gibt es entweder Essenspakete oder Gutscheine. CHRISTIAN JAKOB

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