Ist die Dreiprozentklausel bei der Europawahl zu hoch?

DEMOKRATIE 19 Kleinparteien klagen gegen die Hürde. Jetzt verhandelt das Bundesverfassungsgericht

Die Fünfprozenthürde für die Europawahl hat Karlsruhe 2011 gekippt

KARLSRUHE taz | Am 25. Mai werden die Abgeordneten für das Europäische Parlament gewählt. Doch noch sind wichtige Fragen des Wahlverfahrens offen. Am Mittwoch verhandelte das Bundesverfassungsgericht über die Zulässigkeit der vorgesehenen Dreiprozenthürde.

Früher bestand bei Europawahlen die übliche Fünfprozentklausel. Diese hatte Karlsruhe jedoch Ende 2011 für unzulässig erklärt. Der Eingriff in die Gleichheit des Stimmengewichts sei bei Europawahlen nicht zu rechtfertigen. Es sei damit zu rechnen, dass auch zusätzliche deutsche Kleinparteien in einer der sieben Fraktionen des Europaparlaments aufgenommen werden. Außerdem, so die Richter damals, wähle das Europaparlament keine Regierung, die auf seine kontinuierliche Unterstützung angewiesen sei.

Der Bundestag wollte aber nicht ganz auf eine Sperrhürde verzichten und beschloss Ende 2012 mit den Stimmen von Union, SPD, FDP und Grünen eine Dreiprozentsperre.

Postwendend klagten 19 Kleinparteien gegen die neue Hürde und die „Missachtung des Karlsruher Urteils“, mit dabei unter anderem die Piraten, die Freien Wähler, die NPD und die ÖDP. „Eine Dreiprozenthürde hätte bei den letzten beiden Europawahlen überhaupt keinen Unterschied gemacht“, rechnete ein Klägeranwalt vor. Denn alle Kleinparteien blieben auch unter drei Prozent. Ohne Sperrklausel hätten sie 2009 aber 8 von 99 deutschen Sitzen errungen.

„Eine Dreiprozentklausel ist etwas ganz anderes als eine Fünfprozentklausel“, betonte dagegen Christopher Lenz, Anwalt des Bundestags: „Jetzt ist es viel leichter, ein Mandat zu gewinnen.“ Er erinnerte an die Bundestagswahl im September, als die FDP 4,8 Prozent und die eurokritische AfD 4,7 Prozent der Stimmen holte. Beide Parteien haben nicht geklagt.

Die Richter signalisierten, dass sie die Einführung der Dreiprozenthürde nicht als Affront werten, sondern diese neu prüfen werden. Daraufhin warben mehrere Europapolitiker, darunter Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), intensiv für den Schutz gegen eine weitere Zersplitterung des Parlaments.

Der federführende Richter Michael Gebhardt deutete zwar an, dass er weiter keinen ausreichenden Grund für Sperrklauseln bei Europawahlen erkennen kann. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle signalisierte jedoch, dass die Dreiprozenthürde bestehen bleiben könnte. Das Urteil soll noch vor der Wahl verkündet werden. CHRISTIAN RATH

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