Der Querfront einen Schritt näher gerückt

MONTAGSDEMOS Linke Aktivisten und Abgeordnete rufen zur Teilnahme an den Mahnwachen auf

BERLIN taz | Stell Dir vor, es gibt eine Bewegung – und die Linke ist nicht dabei. Für einige Vertreter etablierter linker Organisationen muss dies eine schwer zu ertragende Vorstellung sein. Über zwei Monate nach Auftauchen der „Friedensbewegung 2014“, die sich seither jeden Montag in drei Dutzend Städten versammelt, wollen einige Vertreter etablierter linker Organisationen nicht mehr nur Zaungäste sein. In einem Offenen Brief, verfasst vom Linken-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko, rufen sie dazu auf, „wenn möglich“ die Kooperation mit den friedensliebenden Kräften vor Ort zu suchen.

Die Unterzeichner geben sich optimistisch, mit ihrer Beteiligung an den Mahnwachen einen Beitrag leisten zu können, „eine kraftvolle und emanzipatorische Bewegung zu entwickeln“. Sie widersprechen der Einschätzung von Kritikern, dass es sich „im Kern um eine neurechte Bewegung“ handele, und wollen die Montagsdemos nicht mit einem „exkommunizierenden Bannstrahl versehen“.

Unterzeichnet haben den Brief unter anderem die Bundestagsabgeordneten der Linken Sabine Leidig und Heike Hänsel, mehrere Attac-Funktionsträger, der emeritierte FU-Professor Peter Grottian und Aktivisten der Interventionistischen Linken, darunter Thomas Seibert. Eine längere Version des Briefes, garniert mit Kritik am „Finanzkapital“, dem „US-Imperialismus“ und den „deutschen Wirtschaftseliten“, verfassten die Linken-MdBs Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke.

Innerlinker Zwist

In ihren eigenen Organisationen stoßen die Unterzeichner derweil auf Kritik. So sieht Werner Rätz, Kokreismitglied von Attac, im Gespräch mit der taz zwar in einigen Städten erfreuliche Entwicklungen bei den Montagsdemos, warnt aber weiterhin vor „Positionen, die nach rechts offen sind oder originär aus diesem Spektrum kommen“. Den offenen Brief empfindet Rätz daher als zu „pauschal“. „Verschwörungstheorien und krude Positionen“ stünden bei den Mahnwachen „oftmals stärker im Vordergrund als die politische Analyse“, so Rätz. So war auf den Berliner Montagsdemos einer der Hauptredner der frühere RBB-Moderator Ken Jebsen, der Verschwörungstheorien zum 11. September vertritt und Israel vorwarf, die Palästinenser auszurotten.

Stefan Liebich, Realo der Linken-Bundestagsfraktion, sieht in dem Aufruf die Gefahr, „sich mit sehr zweifelhaften Positionen gemein zu machen“. Auf Facebook schrieb er: „Ich möchte mich mit diesen Leuten nicht ‚solidarisch auseinandersetzen‘.“ Kritik kommt ebenso von Otmar Steinbicker, ehemals Sprecher der Kooperation für den Frieden. Die Unterzeichner machten sich zu „Feigenblättern der Berliner Mahnwachenzentrale, der längst die Felle wegschwimmen.“

ERIK PETER