Wissenschaft entdeckt Bürger

SPITZENFORSCHUNG Die Hightech-Strategie der Bundesregierung soll Deutschlands wirtschaftliche Schlagkraft stärken. Auch Amateure sollen stärker einbezogen werden

„Wer garantiert, dass die Bürgervoten auch umgesetzt werden?“

STEFFI OBER, „FORSCHUNGSWENDE“

VON MANFRED RONZHEIMER

BERLIN taz | Die Forschungspolitik will sich künftig auch den Werktätigen widmen. In der neuen Hightech-Strategie der Bundesregierung, die Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) am Mittwoch vorstellte, taucht unter den sechs Schwerpunktfeldern erstmals der Bereich „Innovative Arbeitswelt“ auf. Nachdem früher vor allem an Robotertechniken für die Produktion geforscht wurde, gebe es nunmehr viele Besorgnisse, wie sich die Digitalisierung auf die Arbeitswelt und die Beschäftigten auswirken werde, sagte die Ministerin. Das wolle man untersuchen.

Die Hightech-Strategie ist das zentrale Innovationsprogramm aller Ministerien, in dem die Bundesregierung seit 2006 die Forschungs- und Entwicklungsprojekte bündelt, um die technologische Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu steigern. Insgesamt 11 Milliarden Euro investiert die Regierung allein 2014 in die sechs „Zukunftsaufgaben“: Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Nachhaltiges Wirtschaften und Energie, Gesundes Leben, Intelligente Mobilität sowie Innovative Arbeitswelt. Der größte Teil des Geldes wird über das Bundesministerium für Forschung und Bildung vergeben.

„Mit der Hightech-Strategie sollen die Akteure stärker vernetzt werden“, erklärte Wanka. Als positives Beispiel nannte sie den hohen Innovationsstand der deutschen Umwelttechnik, der sich in einem Weltmarktanteil von 15 Prozent auszahle.

Das 50-seitige Innovationspapier setzt an einigen Stellen neue Akzente mit erkennbarer SPD-Färbung. So sollen im Rahmen der Hightech-Strategie die „Technologieaufgeschlossenheit“ und eine „partizipative innovationsfreundliche Kultur“ gestärkt, „Bürgerdialoge und Bürgerforschung“ gefördert werden.

Was noch fehlt, ist das neue „Beratungsgremium“, das der früheren „Forschungs-Union“ nachfolgen soll. Dieses Gremium war in der Vergangenheit wegen seiner Nähe zur Großindustrie kritisiert worden. Wanka nannte lediglich die Namen der beiden Vorsitzenden: Andreas Barner, Chef des Pharmariesen Boehringer Ingelheim, und Raimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Europas größte Organisation für angewandte Forschung.

Als positiv wertete Steffi Ober von der Zivilgesellschaftlichen Plattform „Forschungswende“ gegenüber der taz, dass im Regierungskonzept das Instrument der „Reallabore“ übernommen wurde. In ihnen arbeiten Experten und Bürger gemeinsam an der Realisierung konkreter Veränderungen. „Was mich stört, ist die fehlende Bürgerbeteiligung beim ‚Haus der Zukunft‘ des Bundesforschungsministeriums“, ergänzte Ober. Dieses sei, obwohl es Innovationen in die Bevölkerung tragen solle, in den Leitungsgremien „noch immer ausschließlich in Hand der großen Wissenschaftsorganisationen“. Präzisiert werden müsse in der Hightech-Strategie auch das Instrument der „Bürgerbeteiligung“, deren Wirksamkeit letztlich ungeklärt sei. „Wer garantiert, dass die Bürgervoten von der Forschungspolitik auch tatsächlich umgesetzt werden?“