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: Stolze Eiskönigin und trashige Saloonqueen

Die Königin hat Schrumpfköpfe im Gepäck: blonde Fratzen aus Pappmaché, die auf Stativen wippen und aussehen wie das Personal einer treudeutschen Geisterbahn. Seit Jahren schleppt Brunhilde ein Gruselkabinett aus toten Nibelungen mit sich herum: Siegfried, Hagen, Gunther, Kriemhild – eben alle, die ihr früher das Leben schwer machten und es heute nicht mehr können. Denn sie hat sie überlebt. Als Einzige verließ Brunhilde lebend den Kampfplatz – späte Gerechtigkeit für eine Frau, die in dem blutigen Germanendrama betrogen wird wie keine Zweite.

Am Freien Werkstatt Theater in Köln betritt Brunhilde als letzte Zeitzeugin die Bühne. Der ungewohnte Blickwinkel macht es möglich, dass eine Massensaga zur One-Woman-Show mutiert. Und die Erfahrung: „Die Nibelungen“ ist die vierte Produktion, in der Regisseurin Diana Anders die Schauspielerin Barbara Kratz allein auftreten, sie alle Rollen allein spielen und alle Lieder allein singen lässt. In diesem Fall ein persönliches Nibelungenlied: Brunhilde erzählt, wie sie als Königin über das Isenland herrschte. Wie sie Siegfried liebte, aber durch ein Komplott in die Ehe mit Gunther gedrängt wurde. Wie ein unter seiner Tarnkappe versteckter, machistischer Siegfried sie vergewaltigte und damit auch noch angab. Und wie sie gestärkt aus alldem hervorging: als souveräne Frau, die sie von Anfang an war.

Gewohnt professionell führt Barbara Kratz durch ein feministisches Märchen, in dem ihr einziger Ansprechpartner neben dem Publikum ihr Pferd ist – ein Keyboard mit Kopf und Beinen. Brunhilde ist ihre eigene DJane, entlockt dem Tastengaul altdeutsches Liedgut und Walkürenklänge, gibt die stolze Eiskönigin und die trashige Saloonqueen, ironisiert Eheglück und Epenwelt. Dass der Abend manchmal trotzdem nicht recht in die Strümpfe kommen will, mag daran liegen, dass sich der sperrigste deutsche Sagenstoff eben doch nur schwer auf das Maß einer zweistündigen Conférence herunterbrechen lässt. Egal: Viele gute Ideen machen einzelne Längen wett und lassen die Inszenierung gelingen. Holger Möhlmann

„Die Nibelungen“, Freies Werkstatt Theater, Zugweg 10 in Köln, Tel. 0221/32 78 17; nächste Vorstellungen: 2. und 08.12., jeweils 20 Uhr