Mit Karl Marx gewinnen

Publikum und Jury waren sich einig: Rimini Protokoll bekommt für „Das Kapital“ den Mülheimer Theaterpreis

Helgard Haug und Daniel Wetzel von Rimini Protokoll sind beim „Stücke“-Festival in Mülheim Dramatiker des Jahres geworden. Das Berliner Dramatiker- und Regiekollektiv erhält neben der renommierten Auszeichnung auch 15.000 Euro Preisgeld für sein Stück „Karl Marx: Das Kapital, Erster Band“. Die mitwählenden Zuschauer stimmten mit dem Votum der Jury überein.

Das Stück war im Auftrag des Düsseldorfer Schauspielhauses entstanden und dort uraufgeführt worden. Es versucht, Schauspiel-Inszenierung und Realität zu verbinden. Für das Stück hatten die Preisträger mit hundert Zeitgenossen gesprochen und acht ausgewählt: Eine Dame und sieben Herren. Die erzählen auf der Bühne ihre Geschichten, die alle mehr oder weniger mit dem Kapital zu tun haben, wie der ehemalige Maoist, der jetzt Handel mit China treibt.

Thomas Kuczynski, Statistiker und Wirtschaftshistoriker, spielt dabei eine Hauptrolle: Er berichtet über sein Vorhaben, aus den drei verschiedenen Fassungen von Marx‘ Hauptwerk eine neue Fassung zu destillieren, die den Intentionen des Philosophen möglichst nahe kommt. Als seriöser Wissenschaftler steht er im krassen Gegensatz zu einem Hochstapler, von dem der Autor Ulf Mailänder erzählt. Dem Betrüger vertauen geldgierige Hamburger Millionen anvertrauten, damit er ihr Geld auf wundersame Weise rasch vermehre. Kontrovers diskutierte die Jury, ob Schauspieler den aufgezeichneten Text aufführen können, ohne dass er an Authentizität verliert.

Die überwiegende Zahl der in diesem Jahr nach Mülheim eingeladenen Stücke beschäftigen sich mit Sozialkritik. Jüngere Dramatiker wenden sich von Experimenten mit der Form ab und kehren zu bewährten Erzählmustern des Dramas zurück. Peter Handkes Stück „Spuren der Verirrten“ war nicht nach Mülheim eingeladen worden, offenbar dauern Spannungen zwischen dem österreichischen Dramatiker und dem Festival an. Viel Beifall erhielt auch Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die schon zwei Mal den Dramatikerpreis errungen hat, für ihr Schauspiel „Ulrike Maria Stuart“. Mit dem anschließend kontrovers diskutierten RAF-Stück wurde das Festival der Autoren in diesem Jahr eröffnet. Insgesamt zeigten die „Stücke 07“ acht Inszenierungen in zwölf Vorstellungen, von denen zehn ausverkauft waren. Mit dem Symposium „Facetten der Angst“, neun Vorstellungen der „KinderStücke“ und der deutschsprachigen Erstaufführung von Lars Noréns Stück „20. November“ (nicht im Wettbewerb) war es das bislang umfangreichste Programm der Mülheimer Theatertage. DPA/PEL